Toedliche Intrige
sagte sie, dass jetzt die Gelegenheit gekommensei. Sie fuhren einen Tag vor mir. Als ich eintraf, wollten sie gerade zu einem Ausflug aufbrechen und waren startklar. Tómas und ich begrüßten uns nicht. Er war draußen und ließ den Motor aufheulen. Er trug weder einen Helm noch eine Schutzbrille. Bettý sagte mir, ich solle mich beeilen, mir einen Skianzug anziehen und mich hinter sie auf den Schlitten setzen. Tómas war bereits vor uns davongebraust.
Bettý sprach darüber, dass »jetzt die Gelegenheit« gekommen war. Ich versuche, so wenig wie möglich darüber nachzudenken. Es klingt so bizarr, ganz wie in einem billigen Reißer. Manchmal kommt es mir so vor, als sei ich deswegen dorthin gefahren, um Bettý an ihrem Vorhaben zu hindern. Oder um zu sehen, wie weit sie gehen würde. Manchmal finde ich, dass ich dorthin gefahren bin, um Zeugin bei einem potenziellen Mord zu sein.
Ich traue mich nicht mehr, einzuschlafen. Tómas verfolgt mich bis in den Schlaf. Jedes Mal, wenn ich einnicke, ist er da und schaut mit anklagendem Blick aus der Spalte zu mir herauf. Ich werde ihn nicht los. Ich ängstige mich davor, einzuschlafen und ihn wiederzusehen und alles wieder vor Augen zu haben, das Blut, den Schlitten, Tómas.
Und Bettý mit dem entsetzlichen mordgierigen Blick und den Blutspritzern im Gesicht.
Ich habe nicht vor, mich vor meiner Verantwortung zu drücken. Das ist unter meiner Würde und kommt nicht infrage. Ich tat, was sie mir zu tun befahl, und ichhalf ihr, die Spuren zu verwischen. Ich bin ihr blind gefolgt. Für sie hätte ich alles getan. Das habe ich schon einmal gesagt. Sie übte eine Macht über mich aus, die ich nur schwer erklären kann, und infolgedessen war ich völlig blind. Ich fand, dass wir damit durchkommen könnten. Ich war der Meinung, dass wir es wie einen Unfall aussehen lassen konnten und dass wir dann frei wären. Bettý hätte ihr Geld. Ich hätte Bettý.
Bevor wir aufbrachen, um hinter Tómas auf seinem neuen Motorschlitten herzufahren, fragte Bettý, ob jemand mich gesehen hätte, als ich aus der Stadt fuhr.
»Nein«, sagte ich. »Ich bin sehr früh losgefahren. Es war noch völlig dunkel.«
»Hast du unterwegs irgendwo Halt gemacht?«
»Nein, ich bin direkt hierher gekommen. Niemand hat mich gesehen.«
»Hast du gestern Abend jemanden getroffen?«
»Nein.«
»Hast du jemanden angerufen, oder hast du mit jemandem telefoniert?« »Nein«, sagte ich. Sie nickte.
»Komm«, sagte sie, »wir fahren los.«
Sie fanden die Leiche nicht. Trotz des technischen Equipments, trotz Hunden und trainierten Suchmannschaften. Als das Wetter umschlug und ein Sturm hereinbrach, konnten die Hubschrauber nicht mehr eingesetzt werden. Die Suchmannschaften mussten zwei Tage lang im Basislager ausharren, und als das Unwetternachließ, war die Landschaft völlig verändert. Bettý und ich waren keine große Hilfe. Bettý hatte angefangen, die trauernde Witwe zu mimen. Sie erhielt all die Anteilnahme, die einer solchen Frau gebührt. In ihrer Nähe wurde nur geflüstert, man brachte ihr heißen Kakao und versicherte sie der Anteilnahme. Der eine oder andere umarmte sie teilnahmsvoll. Als mehr oder weniger klar war, dass die Suchaktion keinen Erfolg haben würde, flogen wir in einem der Hubschrauber nach Akureyri und wurden vom Flughafen nach Hause gefahren. Bettý ließ sich in ihr und Tómas' großes Haus bringen. Als ich in meinem Reihenhaus ankam, war ich zu nichts anderem fähig, als völlig entkräftet ins Bett zu sinken.
Es war Abend, und das Haus war völlig finster. Überall kohlrabenschwarze Finsternis.
*
Ich weiß nicht, ob ich einschlief oder nur im Halbschlaf dahindämmerte, als plötzlich das Telefon klingelte. Es war Bettý. Ich hörte, dass sie rauchte. Die Stimme klang heiser.
»Ist alles in Ordnung bei dir?«, fragte sie.
»Nein«, sagte ich. »Nichts ist in Ordnung. Gar nichts. Sie werden ganz bestimmt herausfinden, was passiert ist. Sie werden uns auf die Spur kommen. Wir landen im Gefängnis. Nichts ist in Ordnung, Bettý! Nichts!«
»Schon gut«, sagte sie besänftigend.
»Ich wusste nicht, dass du es so machen wolltest«, sagte ich. »Wir haben nie darüber geredet. Was hast du dir dabei gedacht? Warum hast du mir nichts gesagt?«
»Es war einfach genau die richtige Gelegenheit«, erklärte Bettý. »Ich bin sicher, dass alles in Ordnung geht. Sie finden ihn nicht so bald.«
»Mein Gott, Bettý, was haben wir getan?«, stöhnte ich. »Was haben wir
Weitere Kostenlose Bücher