Tödliche Investitionen
Konnte sehen, wie sich zwischen Nase und Stirn eine kleine Falte bildete. »Eigentlich kommt mir dieser Einbruch ganz merkwürdig vor«, sagte er unvermittelt und konnte ein Gähnen einfach nicht mehr verhindern. »Ich kann keine Verbindung zum Mord sehen. Ich begreife nicht, warum jemand erst bei Software Partners einbricht und dann bei Reidun. Und ich kapiere verdammt noch mal nicht, wieso sie deshalb sterben musste.«
»Sie ist nicht bei dem Einbruch gestorben«, erwiderte der Kriminalhauptkommissar zerstreut, die Gedanken hinter einem Schleier aus Trägheit verborgen.
Es wurde still. Die Kaffeemaschine hustete und spuckte. Gunnarstranda stand auf, hob ungeduldig den Deckel, starrte in die braune Flüssigkeit, die noch nicht durch den Filter gesickert war.
Der kann garantiert nicht warten, dachte Frølich. Und richtig. Gunnarstranda brauchte umgehend eine Tasse. Er fluchte laut, als der Kaffee überschwappte und ihm die Finger verbrannte, Er wischte sich kurz die Hand am Mantel ab und nahm einen Schluck Kaffee. Setzte sich. Blies in den Kaffee und trank noch einmal. Sein kleiner Kopf verschwand fast hinter dem Becher. Nur sein kahler Schädel mit den dünnen Haarsträhnen und den verknorpelten Ohren ragte darüber hinweg.
Er blickte auf, jetzt mit klarem Blick. Stellte die Tasse geräuschvoll auf den Tisch. »Nehmen wir uns eins nach dem anderen vor«, schlug er vor. »Niemand ist in der Mordnacht durch ihr Fenster eingestiegen. Das steht fest. Und Sigurd Klavestad war bereit zu schwören, dass er gehört hatte, wie sie ihre Tür abschloss, als er ging. Aber Mia Bjerke fand die Tür später offen vor. Die Tür hat kein Schnappschloss. Sie muss von außen mit dem Schlüssel oder von innen mit dem Drehriegel geschlossen werden. Also, wie ist dieser Dieb in der Mordnacht in ihre Wohnung gekommen?«
»Sie hat ihn reingelassen.«
»Oder er hatte einen Schlüssel.«
Franken protestierte. »Reidun hätte doch niemals ihren Schlüssel verliehen.«
»Nicht?«, fragte der andere mit gerunzelter Stirn. »Warum denn nicht?«
»Das weiß ich einfach.«
Frølich beugte sich vor. »Sie ist nicht der Typ dafür«, argumentierte er ruhig. »Ich sehe eine Frau vor mir, die Abstand zu den Leuten hält, eine Frau, die macht, was sie will. Vor allem war es ihr wichtig, Kontrolle zu haben. Sich ihre Zeit selber einzuteilen.«
Er setzte sich wieder auf. »Wir haben ja gerade gesehen, dass der Mörder einbrechen musste. Warum sollte er denn heute keinen Schlüssel gehabt haben, wohl aber in der Mordnacht?«
Gunnarstranda nickte langsam.
»Niemand hatte in der Mordnacht einen Schlüssel«, erklärte Franken energisch.
Gunnarstrandas Augen blitzten auf. »Nehmen wir an, du hast Recht«, sagte er eifrig. »Niemand hatte einen Schlüssel und konnte sie überraschen. Wir wissen, dass sie hinter Sigurd Klavestad abgeschlossen hat. Sie hatten nur wenige Stunden geschlafen, als Sigurd sie verlassen hat. Sie ging ans Fenster und hat die Vorhänge vorgezogen, das hat Johansen gesehen.
Danach ist sie wieder ins Bett gegangen. Sigurd hat Kristin Sommerstedt erzählt, dass ihr Telefon geklingelt hat, als er gerade gehen wollte. Es war ein anonymer Anruf. Niemand hat sich zu erkennen gegeben. Angenommen, das war der Mörder.«
Gunnarstranda legte eine Pause ein, stand auf und blickte auf die Stadt, die langsam den grauen Farbton der Dämmerung annahm.
»Sigurd Klavestad konnte zuerst den Hof nicht verlassen«, fuhr er fort. »Der Junge brauchte Zeit, um rauszuklettern, das hat Johansen bestätigt. Reidun Rosendal ist zurück ins Bett gegangen und ist vielleicht eingeschlafen. Wir wissen jedenfalls, dass einige Zeit vergangen ist. Johansen meint, eine Viertelstunde. Sigurd hat behauptet, höchstens zehn Minuten.«
Frølich schaute automatisch auf die Uhr. Halb sechs. Er dachte an Eva-Britt, die zu Hause im Bett lag. Wenn er endlich hier fertig war, würde sie sicher schon nach Hause zu Julie gegangen sein und war vermutlich stocksauer auf ihn. Also musste er sie später anrufen und einen Vormittagsspaziergang oder irgendetwas verabreden, um sie zu besänftigen.
»Schließlich konnte Sigurd über diesen verdammten Zaun auf die Straße klettern«, erklang vom Fenster her Gunnarstrandas Stimme.
»Mm.«
Gunnarstranda nickte und sah wieder seinen Kollegen an. »Ich glaube, der Alte hat den Mörder auch gesehen«, folgerte er. »Johansen wollte ja auch nicht zugeben, dass er die Leute gesehen hatte, die mit dem Taxi gekommen sind, als
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