Tödliche Investitionen
verließ ihn. Er stieg über die Absperrung und schlenderte langsam den Fußweg entlang. Es war unmöglich zu sagen, ob der Tote hier ins Wasser gefallen war. Der Weg schlängelte sich idyllisch dahin. Auf jeden Fall musste er hier in der Nähe ins Wasser gestürzt sein.
Trotz des verstümmelten Gesichts des Mannes war Frølich sich seiner Sache sicher. Es war Johansen. Winterstiefel, Mantel, daran lag es nicht. Er wusste es einfach. Johansen war tot. Wenn die Fingerabdrücke des Toten noch lesbar waren, würde Professor Schwenke sie mit denen im Archiv vergleichen. Wenn das unmöglich war, würden sie andere medizinische Daten überprüfen und die Identität des Toten ermitteln. Aber das war in Wirklichkeit nur eine Formalität. Gunnarstranda würde mitgeteilt werden, dass Arvid Johansen ertrunken war. Im Bericht würde etwas über Kopfverletzungen stehen, die beim Sturz entstanden oder ihm von Außenstehenden zugefügt worden sein konnten.
Er starrte wieder zur Brücke hinunter. Kampenhaug war über die Absperrung geklettert und redete mit der Rothaarigen.
»Hallo, Frølich!«
Ivar Bøgerud. Der Sendbote der Boulevardpresse. Der Typ redete ihn mit Nachnamen an. Das war neu.
Frølich zuckte mit den Schultern. »Du musst schon mit dem Chef sprechen.« Er nickte zu Kampenhaug hinüber. »Ich weiß nichts.«
Bøgerud rauchte. »Informierte Quellen behaupten, die Bullen haben einen alten Mann umgenietet, der seinen Hund Gassi geführt hat.«
»Seit wann überprüfst du eine gute Geschichte?«
»Sonntagszeitung, Frølich. Da wir mit der Kirche konkurrieren, müssen wir harte Fakten auf den Tisch legen.«
Ivar Bøgeruds Blick war gänzlich humorlos. Er hatte ein altes, abgegriffenes Notizbuch aus der Tasche gezogen. »Was haben sie über Funk gemeldet?«
»Alter Mann leblos im Wasser.«
Frølich starrte zu Kampenhaug hinunter, der jetzt die Rothaarige sich selber überließ. Er schwirrte mit dem Funkgerät vor dem Mund und mit aufgekrempelten Overallärmeln herum.
Bøgerud schnippte seine Zigarette weg und notierte.
»Der Mann kann aus Versehen ins Wasser gefallen sein, aber auch ein Verbrechen lässt sich nicht ausschließen.«
Sie spazierten langsam nach oben und umrundeten die Schule.
»Die Polizei möchte natürlich Kontakt zu allen aufnehmen, die in den letzten Tagen hier am Fluss etwas Ungewöhnliches gehört oder gesehen haben.«
»Und der Schuss?«
Bøgerud machte sich jetzt keine Notizen mehr. »Gerüchte wie bei jedem Einsatz.«
»Da liegt aber ein toter Hund, Frølich.«
»Die Geschichte fällt unter die ethischen Regeln der Presse. Du weißt schon.«
»Ist der Hund von der Polizei erschossen worden?«
»Frag Kampenhaug.«
Bøgerud nickte. »Informierte Kreise behaupten, ein möglicher Verdächtiger sei festgenommen worden.«
Franken dachte kurz nach. »Wir haben Kontakt zu einem Hundebesitzer, der sich beim Toten aufgehalten hat, als dieser gefunden wurde. Der Mann wird wie jeder andere Zeuge vernommen werden.«
»Werden Zeugen öfter bei der Vernehmung von der Polizei bewusstlos geschlagen?«
Frølich seufzte und wandte sich seinem Wagen zu.
»Wir haben alles gesehen, Frølich!«
Frank Frølich öffnete die Autotür.
»Hat sich die Polizei zu irgendeinem Zeitpunkt durch den Hund oder seinen Besitzer bedroht gefühlt?«
Müde drehte der Polizeibeamte sich zu dem Journalisten um. »Ivar«, sagte er erschöpft. Überlegte es sich anders. »Bøgerud! Das ist nicht meine Sache. Ich weiß nichts über dieses Vieh, ob es nun wirklich erschossen worden ist und von wem. Der Hund ist tot. Ein alter Mann wurde aus dem Fluss gefischt, mehr weiß ich nicht. Sprich mit Kampenhaug. Der hat hier das Kommando, und er weiß, was passiert ist. Klar?«
»Du hast zwei Meter von dem Polizisten entfernt gestanden, der den Hundebesitzer angegriffen hat. Hast du dazu etwas zu sagen?«
Frølich blickte Ivar in die Augen. Ein Blick, der nicht nachgeben wollte. Lippen, die sich aggressiv anspannten. Ob ich wohl selber auch so bin, fragte er sich, holte resigniert Atem und stieg ins Auto. Er knallte dem Journalisten die Tür vor der Nase zu.
Frølich drehte den Zündschlüssel und warf einen kurzen Blick auf Bøgerud, der eine Kamera in der Hand hielt. Himmel, dachte er verzweifelt. Wurde voll vom Blitz getroffen. Was für ein Scheißtag! Was für ein verdammter Scheißtag!
Dreiundvierzig
Es war früh am Sonntagnachmittag. Die Gewerbehöfe von Tøyen und Enerhaugen lagen verlassen da. Jetzt, ohne
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