Tödliche Jagd
sich,
spülten über grünschwarze Felsen, und dann sah ich, was
mit der engen Durchfahrt gemeint war. Ein aus großen Steinen
gefügter, auf dem Riff errichteter Wellenbrecher schützte den
Hafen. Die Lücke in ihm war wirklich winzig. Aber für
ängstliches Zaudern war jetzt nicht die Zeit – es
mußte gehandelt werden. Davo verringerte die Geschwindigkeit, und
die See packte uns mit eisernem Griff.
»Geht nicht«, schrie Davo durch das Tosen
der Wellen. »Muß schneller fahren, damit ich sie steuern
kann.«
Ich hielt mich mit der linken Hand fest, hob die Luger
und zielte genau. »Ich mein's ernst. Mach das, was ich gesagt
hab', oder es knallt.«
»Aber wir werden alle sterben«, schrie
Pendlebury und stürzte sich, als die Barkasse auf die Einfahrt
zuschlingerte, auf mich.
Er klammerte sich an meinen linken Arm,
und als ich ihn abschüttelte, versuchte Davo, nach der Pistole zu
greifen. Ich schoß zweimal aus kürzester Entfernung auf ihn;
tödlich getroffen fiel er gegen die Seitenwand des Ruderhauses.
Das Ruder drehte sich wie ein Windrad, die Barkasse
legte sich auf die Seite, und die See warf uns in die schmale Passage.
Aus reinem Selbsterhaltungstrieb klammerte ich mich mit beiden
Händen an die nächste Reling, die Luger machte sich
selbständig, und dann krachte die Barkasse gegen die Steinmauer.
Der Rumpf splitterte, die Wellen sogen uns von der
Mauer weg, der Bug stieg in die Höhe; ich rollte hilflos über
das schräge Deck und fiel am Heck über Bord.
Die Schwimmweste war meine Rettung. Ich kam gerade
noch rechtzeitig an die Wasseroberfläche, um zu sehen, wie die
Barkasse von einer hohen Welle so an die Felsen am Fuß der Mauer
geschmettert wurde, daß der Bug in die Durchfahrt hineinragte.
Es war zwar nicht alles so gelaufen, wie ich es
beabsichtigt hatte, doch das Ergebnis war das gleiche. Männer
liefen auf dem Wellenbrecher entlang, das Safrangelb ihrer
Gewänder leuchtete aus dem allgemeinen Grau in Grau. Ihnen
würde nicht gefallen, was sie vorfanden, aber das sollte nicht
meine Sorge sein. Ich hatte andere Dinge zu bedenken.
Ich wurde von einer starken Strömung
erfaßt, die mich in einem großen Bogen vom Hafen weg-, um
die Landspitze herum- auf die andere Seite der Insel und dort parallel
zu den Klippen, etwa fünfzig Meter von ihnen entfernt,
entlangtrug.
Auf diesem Kurs wäre ich über den ganzen
Atlantik bis nach Amerika getrieben worden, doch es sollte nicht sein,
denn die Strömung änderte urplötzlich ihre Richtung und
steuerte mich in eine weite Bucht am Fuße der Klippen.
Aber so leicht gab mich das Meer nun auch
wieder nicht her. Eine Wasserwand, so grün wie Flaschenglas,
stürzte über mir zusammen, riß mich in die Tiefe, ich
kämpfte um mein Leben wie ein Fisch am Haken.
Ich tauchte in einem Meer aus Gischt auf, schnappte
nach Luft und wurde von der nächsten Welle wieder unter Wasser
gedrückt. Mit einem Fuß stieß ich gegen etwas Festes,
und dann lag ich auf einem großen, runden Felsblock, um mich
herum nur triefender Seetang.
Wieder rollte eine Welle über mich hinweg. Meine
Hände fanden eine Felskante, klammerten sich daran fest. Als die
See wieder zurückwich, rappelte ich mich hoch, stolperte wie ein
Betrunkener über die Felsen und fiel am Fuße der Klippen mit
dem Gesicht nach unten auf einen Streifen aus feinem, weichem
weißen Sand.
Das Meer dröhnte noch immer in meinem Kopf, als ich mich
erhob, der Boden unter meinen Füßen schien zu schwanken. Ich
zog die Schwimmweste aus, versteckte sie hinter einem Felsen und sah
mir dann die Klippen etwas genauer an.
Sie ragten nicht so steil auf, wie es von der Barkasse
aus den Anschein gehabt hatte, waren von Klüften und Rissen
durchzogen und stiegen an einer Stelle ganz sanft an. Die Kletterei
gestaltete sich nicht schwierig; nach ungefähr fünf Minuten
erreichte ich eine Felsschulter ungefähr hundert Meter über
dem Meer, und von da an war es nur noch eine etwas mühsame
Krabbelei über Gras und schwarze Felsplatten. Vielleicht zehn
Minuten nach meiner Landung auf dem winzigen Sandstrand sah ich
vorsichtig über den Klippenrand.
Ich befand mich so zwanzig, dreißig Meter von
einem Kiefernwäldchen entfernt. Da ich keinen Menschen sah, rannte
ich hinüber in Deckung.
Dort war es so ruhig, wie es oft in
Kiefernwäldern der Fall ist, die Bäume standen dicht
beieinander, ihre Äste bildeten ein Dach, das kaum noch Regen
durchließ. Ich ruhte mich
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