Tödliche Jagd
Kaltschnäuzigkeit. Ich verließ deshalb das
Sommerhäuschen, lief mit forschen Schritten den Weg entlang bis
zum Hof hinter dem Gebäude. Ich zog die Schaffellmütze so
tief ins Gesicht wie möglich und machte mich daran, ihn zu
überqueren.
Ich war mitten auf dem Hof, als sich eine
Tür öffnete. Ich schlug einen scharfen Bogen nach links auf
die Gebäude zu, in denen ich die Stallungen vermutete. Zwei
Mönche kamen aus dem Haus. Ich ging weiter, als würde mich
das überhaupt nicht berühren. Ein hohes, eisenbeschlagenes
Tor, groß genug, daß eine Kutsche durchfahren konnte,
bildete den Eingang zu den Stallungen, doch war auch wie üblich
eine kleine Tür darin eingelassen, durch die ich eintrat.
Rechts und links zweigten Zugänge zu den
Ställen ab; ich konnte die Ponys riechen, hörte das dumpfe
Poltern, wenn ein Tier sich bewegte. Geradeaus ging es in eine
große Halle mit Kuppeldach, die früher als Stellplatz
für die Kutschen oder, sogar noch wahrscheinlicher, als Reithalle
genutzt wurde.
Daß sie heute anderen Zwecken diente, wurde mir
sofort klar. An einer Wand befanden sich Gewehrständer nicht nur
mit AKs, sondern auch einigen M16 darunter, Munitionsgürtel
komplett mit Bajonett in der Scheide und zwei M79-Granatgewehren, die
ich für Schaustücke hielt, bis ich die darüber an Haken
aufgehängten Gürtel mit den dazugehörigen Granaten
entdeckte.
Noch aufschlußreicher waren die
lebensgroßen Strohpuppen, die parallel zur rückwärtigen
Wand aufgehängt waren, jede einzelne im grünen
Dschungel-Kampfanzug eines amerikanischen GI. Sie waren von
unzähligen Bajonettstichen durchbohrt.
Ich nahm mir ein AK47, lud es, schnallte mir einen
Patronengürtel um, ging zurück und öffnete vorsichtig
die Tür. Auf dem Hof war niemand zu sehen; ich trat heraus und
lief hinüber zum Haus.
Durch die Tür an der Rückfront gelangte ich
auf einen dunklen, gefliesten Gang, wie man ihn meist in solchen
Häusern findet, und der von der Küche in den herrschaftlichen
Wohnbereich führt.
Ich schlich den Gang vorsichtig entlang und hielt
inne, als ich an eine mit grünem Fries bespannte
Flügeltür kam, wie man sie nur in England und sonst nirgendwo
findet. Sie ließ mich an feine Abendgesellschaften denken, an das
Klingen von Eis in hohen Gläsern und an Leute auf der Suche nach
dem vierten Mann oder der vierten Frau zum Bridge. Ich
unterdrückte den irren Wunsch, lauthals loszulachen, legte das Ohr
an die Tür und lauschte.
Ich spähte vorsichtig durch den
Spalt zwischen den Türen und sah in eine große Eingangshalle
mit schwarzen und weißen Bo denfliesen und einer breiten Treppe
aus solider Eiche hinauf in den ersten Stock.
Damit waren aber auch schon alle Gemeinsamkeiten mit
anderen englischen Landhäusern erschöpft. An den Wänden
hingen chinesische Teppiche mit Drachenmotiven, in der Nische, die
ursprünglich wohl für eine italienische Marmorstatue gedacht
war, stand die übliche goldfarbene Buddhafigur, der Duft von
Weihrauch, der aus einer Messingschale davor strömte,
erfüllte die Luft.
Ich zögerte, weil ich nicht wußte, ob ich
mich weiter vorwagen sollte, doch dann wurde mir diese Entscheidung
abgenommen. Eine Tür am Ende des dunklen Gangs auf der anderen
Seite der Halle öffnete sich, und Helen St. Claire trat heraus.
Sie hatte noch dieselben Hosen, denselben Pulli an wie
zu Beginn unserer gemeinsamen Fahrt, sah müde aus, sehr müde,
und faltete immer wieder nervös die Hände. Das fiel mir an
ihr ganz besonders auf.
Die beiden Chinesen in ihrer Begleitung hatten dunkle
Hosen und dicke Wollpullover an und waren mit einem Patronengürtel
wie dem meinen und einem Sturmgewehr ausgerüstet. Sie gingen die
Treppe hoch. Ich wartete, bis sie oben waren, und folgte ihnen.
Im ersten Stock angelangt, fand ich den Hauptgang
leer, vernahm jedoch Stimmen am anderen Ende, die Chinesisch klangen.
Einen Augenblick später hörte ich jemanden kommen und konnte
mich gerade noch in einen dunklen Seitengang drücken, um nicht
entdeckt zu werden. Einer von den beiden, die Helen begleitet hatten,
lief an mir vorbei und die Treppe hinunter. Nachdem er unten im
Erdgeschoß irgendwohin verschwunden war, tastete ich mich auf dem
Gang entlang, um nach Helen zu suchen.
Als ich am Ende des Ganges vorsichtig um
die Ecke lugte, sah ich den anderen Chinesen vor einer Mahagonitür
stehen. Es blieb mir kaum Zeit, meinen nächsten Schritt zu
überlegen – der Wachtposten selbst
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