Tödliche Legenden Sammelband 1 (German Edition)
seinem Ziel abzulenken. Also lief er los, hinaus aus der Halle auf den Platz, der davor lag. Der Ort bestand aus Holzhäusern, manche ein-, manche mehrstöckig. Die Straßen waren nicht geteert, sie bestanden aus Sand. Nur die Gehwege waren mit Steinen ausgelegt. Durch diese Sandstraßen liefen panische Menschen, andere saßen einfach am Boden und weinten oder starrten stumm auf das nahende Unglück. Kyle wurde von mehreren, umherlaufenden Leuten angerempelt oder angeschrien, er solle sich in Sicherheit bringen. Er ignorierte sie und lief stattdessen auf ein großes Gebäude zu, das von einem Metallzaun umgeben war. Über dem Gitter stand in großen Lettern „Schule“. Er drückte das nur angelehnte Tor auf und lief den Sandweg entlang zum Eingang. Auch dieser war offen. Er atmete tief durch, dann ging er hinein.
Sallys Kopf schmerzte fürchterlich. Stöhnend rappelte sie sich auf und zwang sich, ihre Augen zu öffnen. Sie griff sich mit der Hand an den Hinterkopf und ertastete etwas Klebriges. Als die Schmerzblitze vor ihren Augen verschwunden waren, schaute sie auf ihre Hand. Blut klebte daran. Sie befand sich auf einem Friedhof, ein Stück von ihr entfernt stand eine alte Kirche aus Holz. Die Fenster waren aus buntem Glas.
„Sehr witzig Freiya. Aber bilde dir ja nicht ein, dass es dich retten würde, dass ich mir den Kopf anhaue!“, rief sie wütend in den Himmel hinein. Dann schaute sie sich um und stellte zufrieden fest, dass sie mit ihrer Ahnung, wie der Kampfplatz aussehen würde, recht gehabt hatte. Schnellen Schrittes ging sie die Reihen mit den Grabsteinen ab und las die Inschriften. Nichts Auffälliges. Also war jetzt die Kirche dran. Sie eilte zum Tor. Es war verschlossen. Sie knurrte wütend und schaute sich um. Da sah auch sie die Tornados. „Wind. Sie tötet also mit Wind“, stellte sie fachlich fest und schaute sich weiter nach etwas um, was ihr helfen konnte die Tür zu öffnen. Natürlich war nichts zu finden. Also nahm sie Anlauf und krachte mit der Schulter voran gegen das Tor. Die Bretter gaben laut knackend nach und Sally flog mitsamt den Brettern ins Innere der Kirche. Hustend und fluchend rappelte sie sich wieder auf und erschrak.
Vor ihr stand Karina.
„Meister?“, fragte sie verwirrt. Karina verschränkte die Arme vor der Brust und schaute sie vorwurfsvoll an.
„Du solltest dich was schämen, Sally. Fluchst und stolperst hier durch die Gegend wie ein Anfänger! Mal davon abgesehen, dass du ohne die Hilfe der Mädchen gar nicht bis hierher gekommen wärst! Du willst dich eine Vampirjägerin schimpfen? Steckt hinter deiner großen Klappe denn echt nichts? Ich bin enttäuscht von dir!“
Sally stand da wie angewurzelt. Die harten Worte ihrer Meisterin hatten sie schwer getroffen. Verunsichert stand Sally vor ihr und wusste nicht, was sie tun sollte.
„Am besten du gibst gleich auf und überlässt Freiya deine Seele, Sally. Du wirst diese Prüfung eh nicht bestehen. Dazu bist du viel zu unfähig!“, fuhr Karina fort. Sally ließ die Schultern hängen und seufzte. Doch während Karina fortfuhr, ihr zu erzählen, wie schlecht sie doch war, durchfuhr es Sally plötzlich. So würde ihr Meister niemals mit ihr reden! Karina war eine herzensgute Frau, niemals würde sie sie so dermaßen entmutigen. Also stellte sich Sally wieder gerade hin, setzte ein breites Grinsen auf und ging einfach an der Truggestalt vorbei. Diese wurde lauter und fing an Sally zu beschimpfen, doch Sally ignorierte sie und fing an, die Kirche zu durchsuchen. Alles war sehr schlicht gehalten, außer den bunten Fenstern und dem großen Holzkreuz über dem Altar gab es nur ein paar Kerzen. Keine Gebetsbücher lagen auf den Bänken, im Beichtstuhl war nicht einmal Sitzkissen. Das Gerede von Karina verstummte. Als Sally sich umdrehte, war sie einfach verschwunden. „Der Versuch war gut, Freiya“, gab Sally zu. Da kam ein starker Windstoß von der kaputten Tür hinein und das Dach knarrte. Sally vergewisserte sich noch einmal, auch wirklich nichts übersehen zu haben, dann trat sie hinaus und stellte entsetzt fest, dass die Tornados schneller nähergekommen waren, als sie vermutet hatte. Sie ärgerte sich auf das Trugbild von Karina hereingefallen zu sein, das hatte sie unnötig Zeit gekostet. Sie schaute sich hastig um, das einzig leer stehende Gebäude in der Nähe war ein alter Bauernhof. Allerdings zerrten an diesem bereits die ersten Ausläufer der Tornados. Sally würde keine Chance haben, ihn noch
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