Tödliche Legenden Sammelband 1 (German Edition)
Projektwoche halten. Die Unterlagen hatte ihnen Lilith in die Hand gedrückt – sie bekamen alle eine glatte Eins. Ganz wohl fühlten sie sich dabei nicht, ihren Mitschülern jede einzelne Spukerscheinung wissenschaftlich begründet zu zerlegen. Unheimliche Geräusche zum Beispiel waren auf Kleintiere wie Mäuse oder Ratten zurückzuführen, oder durch Spannung und Entspannung im Material. Poltergeisterscheinungen waren völliger Blödsinn, daran waren Luftzüge oder einfach Unachtsamkeit schuld. Oder jemand wollte einen schlicht und ergreifend ärgern. Ein seltsames Gefühl oder auch plötzliche Kälte lagen entweder an Magnetfeldern oder Rissen im Mauerwerk. Das Sehen oder Hören von Geistern war wohl eher auf psychische Erkrankungen wie Psychosen oder Schizophrenie zurückzuführen als auf wirkliche Begebenheiten. Hatte eine Person von vornherein Angst vor Geistern und/oder rechnete mit deren Erscheinen, kam es ganz schnell auch zu Halluzinationen, vor allem, wenn sich die Person in einem Magnetfeld, einem Luftzug oder in Dunkelheit befand. Sie selbst hatten sich zwar in Rose Black durchaus ziemlich gegruselt, konnten aber jeden Spuk durch genau diese wissenschaftlichen Erkenntnisse logisch erklären. Natürlich wurde Emily auf das Pentagramm auf ihrer Brust angesprochen, da es ein Stück aus der Schuluniform herausblitzte. Aber auch dafür hatte sie eine Ausrede; sie hätte sich kleine Gewinde implantieren lassen, auf diese war das Pentagramm aufgesteckt. Wie gesagt, wohl war den Mädchen nicht dabei, ihren Mitschülern so einen Mist erzählen zu müssen. Aber sie hatten damals ja selbst erlebt, wie die anderen auf die Wahrheit reagierten. Also blieb ihnen nichts anderes übrig, als im Verborgenen zu handeln.
Nach dem Referat gingen Emily und Dascha in der Pause kurz zu ihrem Zimmer, wo sich Emily auf ihr grün bezogenes Bett setzte. Dascha hatte Sally zwar einen Dosenkaffee angeboten, diese hatte aber abgelehnt und wollte lieber zur Kantine gehen.
„Glaubst du, Sally fängt sich wieder?“, fragte Dascha besorgt. Emily holte das Daemonum aus ihrer Schultasche, legte es in die oberste Schublade ihres Nachtschranks, schloss diese ab und steckte den Schlüssel dann in ihre Rocktasche.
„Das hoffe ich. Ich glaube, wenn wir weiter auf sie achten, wird das schon. Sie ist ein starkes Mädchen, das einfach viel einstecken musste und deshalb verunsichert ist. Sobald wir wieder in ein Abenteuer geraten und sie sich beweisen kann, wird’s ihr auch wieder besser gehen. Was jetzt aber nicht heißen soll, dass ich scharf auf weitere Abenteuer in naher Zukunft bin!“, antwortete sie dann und ließ sich rückwärts in ihr Bett fallen. Ein viertes Abenteuer in so kurzer Zeit wäre etwas viel …
Sally ging nicht in die Kantine, sondern aufs Schultor zu. Sie war müde und immer noch sehr verwirrt von dem, was Abbadon ihr an den Kopf geworfen hatte. Außerdem fühlte sie sich einsam, auch wenn ihre Freunde sich sehr um sie bemühten.
„Hey Sally, warte mal kurz!“, rief es hinter ihr. Sie blieb stehen und verzog das Gesicht. Was wollte ausgerechnet Viola jetzt von ihr? „Hey, ich wollte dir nur sagen, das mit der Chimäre hast du echt klasse gemacht. Wie du die zerlegt hast, das war unglaublich! Du bist echt verdammt stark, soviel hab ich nicht auf dem Kasten!“, plapperte Viola los.
„Worauf willst du hinaus?“, fragte Sally genervt. Sie hatte jetzt wirklich keine Lust, sich mit ihrer eventuellen Schwester zu unterhalten. Viola schaute sie traurig an.
„Ich wollte dir nur sagen, ich finde, wir sind ein gutes Team. Und ich bin echt beeindruckt von dem, was du kannst und wie stark du bist. Wenn du jemals wieder in eine Situation kommst, wo ich dir helfen könnte, dann würde ich mich freuen, wenn du mich ansprichst“, sagte sie dann leise und schob mit dem Fuß Sand hin und her. Erst sagte Sally nichts, sondern schaute sie nur an.
„Mach ich. Aber dann nur als Kampfgefährten. Ansonsten könnt ihr Morgensterns mich mal!“, entgegnete sie und ging, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Nachdenklich, aber ohne einen Gedanken klar fassen zu können, war Sally zum Dorf gegangen. Sie verpasste jetzt zwar ein paar Stunden Unterricht, aber bei ihr würde sowas eh nicht auf dem Zeugnis landen. Sie schlenderte zu Karinas Laden, ging hinein und schaute sich um.
„Meister? Bist du hier?“, rief sie fragend. Karina kam die Treppe herunter, wie immer in einem Kleid voller Rüschen und Spitze.
„Sally, mein
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