Tödliche Liebe: Roman (German Edition)
protestierte nicht, als Finn zum Telefon hinüberging und die Polizei anrief. Als sie dann selbst noch einmal alles erzählte, war sie bereits etwas ruhiger geworden. Sie machte sich klar, daß Details wichtig waren, Zeitabläufe, präzise Tatsachen. Der Kriminalbeamte, der sie später in Finns Wohnzimmer befragte, saß geduldig da und machte sich seine Notizen.
Der graumelierte Mann war ihr von der Übertragung aus Greektown her bekannt – er war es gewesen, der das kleine Mädchen aus der Schußlinie gestoßen hatte.
Arnold Jenner war ein ruhiger und sehr genauer Polizist. Die krumme Nase, die er sich nicht etwa im Dienst, sondern bei einem Softballspiel gebrochen hatte, stand in deutlichem Kontrast zu der Klarheit und Offenheit seines Gesichtes. Er trug einen dunkelbraunen Anzug, der sich ein wenig über den Ansatz eines kleinen Bauches spannte. Die Farbe seiner erbarmungslos kurz geschnittenen Haare ließ sich irgendwo zwischen braun und grau ansiedeln. Die Falten um Mund und Augen herum zeigten, daß er entweder gerne lachte oder schnell die Stirn runzelte. Der Blick seiner hellgrünen, schläfrig wirkenden Augen war nur schwer einzuordnen und entsprach damit seiner übrigen Erscheinung, doch als Deanna in sie hineinstarrte, überkam sie ein starkes und überaus tröstliches Gefühl neuer Zuversicht.
»Ich würde diese Briefe gerne sehen.«
»Ich habe sie nicht alle aufbewahrt«, meinte Deanna und
schämte sich ein wenig, als sie an seinem Blick sah, wie er es müde akzeptierte. »Die ersten Briefe … nun ja, die erschienen mir ziemlich harmlos. Wer als Fernsehjournalistin Liveberichte macht, bekommt jede Menge Post, darunter manchmal auch sehr merkwürdige Briefe.«
»Dann geben Sie mir, was sie an Briefen haben.«
»Einige sind im Büro, einige in meiner Wohnung.«
»Hier wohnen Sie nicht?«
»Nein.« Sie warf Finn einen schnellen Blick zu. »Eigentlich nicht.«
»Mmmm-hmmm.« Jenner machte sich eine weitere Notiz. »Miss Reynolds, Sie sagten, daß der letzte Teil des Videos heute abend zwischen halb sechs und halb sieben aufgenommen worden sein muß.«
»Ja. Wie ich Ihnen schon erzählte, bin ich eingeschlafen. Ich war fürchterlich nervös und wollte es einmal mit dieser Übung ausprobieren, die mir ein Gast in der Talk-Show vorgeschlagen hatte. So eine Art Phantasiereise, etwas Meditatives.« Sie zuckte mit den Achseln. »Ich nehme an, das ist einfach nicht mein Ding; entweder bin ich wach oder ich schlafe. Beim Aufwachen sah ich auf dem Schreibtisch die zweite Rose und die Videokassette.«
Er machte kehlige Geräusche. Wie ein Arzt, dachte Deanna.
»Wer hat außer Ihnen zu dieser Uhrzeit noch Zugang zu den Büroräumen?«
»Alle möglichen Leute. Meine eigenen Mitarbeiter, alle, die unten arbeiten.«
»Gelangt also nur das Personal der CBC in das Gebäude?«
»Nicht unbedingt. Zu dieser Uhrzeit ist die Hintertür noch nicht abgeschlossen. Alle möglichen Leute gehen dort ein und aus, die einen haben gerade Schichtende, die anderen kommen zu ihrer Schicht, manche werden abgeholt, manche gebracht. Manchmal werden auch Besichtigungen durchgeführt.«
»Also ein geschäftiger Platz.«
»Ja.«
Seine Augen hoben sich, blickten sie an, und sie bemerkte,
warum sein Blick so schwer einzuordnen war. Er schaute sie nicht nur einfach an, sondern in sie hinein. Finn hatte die gleiche Fähigkeit, den gleichen, schnellen, skalpellartigen Blick, der direkt bis zu ihren Gedanken vorstieß. Vielleicht hatte Jenners Blick ja deswegen diese bestärkende Wirkung auf sie.
»Gibt es irgendeine Person, die Ihnen in diesem Zusammenhang einfällt? Jemanden, dem Sie vielleicht eine Abfuhr erteilt haben oder der mehr als nur beiläufiges oder freundliches Interesse an Ihnen gezeigt hat?«
»Nein. Wirklich, ich kenne keinen, der so etwas über längere Zeit machen würde. Ich bin mir sicher, daß es sich um einen Fremden handelt, wahrscheinlich um einen Zuschauer. Sonst hätte ich doch auch bemerkt, daß mich jemand aufnimmt.«
»Nun, so wie Ihre Show läuft, wird der Kreis der möglichen Verdächtigen nicht unbedingt kleiner.« Gedankenlos kritzelte er etwas in seinen Block. Es war eine alte Gewohnheit von ihm. Die gekritzelten Striche wurden zu Deannas Gesicht mit ihren erschreckten Augen und dem Mund, der sich darum bemühte, wieder zu lächeln. »Sie haben eine Menge öffentlicher Auftritte. Haben Sie vielleicht dort jemanden bemerkt, dem Sie auffällig oft begegneten?«
»Nein. Daran habe ich auch schon
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