Tödliche Liebe: Roman (German Edition)
deutete auf ein paar andere Journalisten, die sich zwischen die Passagiere gemischt hatten. »Wir sollten uns mit unserer Arbeit ein wenig beeilen.«
»Ich kenne meine Arbeit«, sagte sie, doch er lief schon wieder weg.
»Der scheint ja nicht unter einem Mangel an Eigendünkel zu leiden.«
Joe, der neben ihr stand, schnaubte verächtlich. »Sein Ego ist so groß wie der Sears Tower und alles andere als leicht zu erschüttern. Wenn du mit ihm allerdings einen Bericht produzierst, kannst du dich darauf verlassen, daß er einfach alles richtig macht. Und er behandelt die Mitglieder seines Teams auch nicht wie geistig minderbemittelte Sklaven.«
»Zu dumm, daß er anderen Reportern gegenüber nicht den gleichen Anstand an den Tag legt.« Sie machte auf dem Absatz kehrt. »Laß uns jetzt die Aufnahmen machen.«
Es war bereits nach neun Uhr, als sie in das Gebäude der CBC zurückkehrten. Finn wurde wie ein Held empfangen. Jemand reichte ihm eine Flasche Jameson mit unversehrtem Siegel. Fröstelnd begab sich Deanna unverzüglich an ihren Schreibtisch, schaltete den Computer ein und begann, ihr Manuskript zu schreiben.
Sie wußte, daß dieser Bericht landesweit ausgestrahlt werden würde, und diese Chance wollte sie nicht verpassen.
Auf das Gelächter, das anerkennende Klopfen auf den Rücken und das laute Getöse in der Redaktion ließ sie sich bewußt nicht ein. Statt dessen schrieb sie wie wild an ihrem Text und arbeitete hier und da die flüchtigen Notizen mit ein, die sie hinten im Sendewagen in ihr Notizbuch gekritzelt hatte.
»Bitte schön!« Sie drehte sich um und sah, wie ihr eine breite Hand mit langen Fingern und mehreren Narben unten am Daumen ein Glas auf den Schreibtisch stellte. Darin befanden sich etwa zweieinhalb Zentimeter einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit.
»Bei der Arbeit trinke ich keinen Alkohol.« Sie hoffte, bei diesen Worten eher kühl als steif zu klingen.
»Ich glaube nicht, daß ein Schluck Whiskey Ihr Urteilsvermögen beeinträchtigt«, meinte Finn und verfiel dabei unversehens in einen klangvollen irischen Akzent. »Außerdem wird er in Ihrem Bauch eine überaus angenehme Wärme hervorrufen. Und Sie haben doch nicht vor, schwere Maschinen zu bedienen, oder?« Finn umrundete ihren Sessel und setzte sich auf den Rand ihres Schreibtischs. »Ihnen ist ja ganz kalt.« Er reichte ihr ein Handtuch. »Kippen Sie ihn einfach hinunter. Und trocknen Sie sich die Haare ab. Wir haben noch einiges an Arbeit vor uns.«
»Der widme ich mich gerade.« Das Handtuch nahm sie jedoch entgegen. Und nach kurzem Zögern trank sie auch den Whiskey. Es war nur ein Schluck, aber Finn hatte recht: Er entfachte in ihrem Bauch ein kleines, behagliches Feuer.
»Wir haben noch dreißig Minuten Zeit für den Text. Benny bearbeitet bereits die Aufnahmen.« Finn reckte seinen Hals, um ihren Bildschirm einsehen zu können. »Gute Arbeit«, kommentierte er.
»Sie würde noch besser, wenn Sie mich nicht dauernd davon abhalten würden.«
Er war Feindseligkeit gewohnt, hatte aber immer ein starkes Interesse, zu erfahren, was die Ursache dafür war. »Sind Sie sauer, weil ich Sie geküßt habe? Ich will Sie ja nicht kränken,
Deanna, aber es war wirklich nicht persönlich gemeint. Es war eher wie ein Urinstinkt.«
»Ich bin nicht sauer, weil Sie mich geküßt haben«, stieß sie hervor und begann wieder zu tippen. »Ich bin darüber sauer, daß Sie mir meine Story geklaut haben.«
Finn nahm sein Knie in die Hände und dachte über ihre Worte nach. Er kam zu dem Schluß, daß an ihrem Argument tatsächlich etwas dran war, auch wenn es ihn nicht völlig überzeugte. »Dann lassen Sie mich Ihnen eine Frage stellen: Was ergibt den besseren Film? Wenn Sie sich vor das Flugzeug stellen und einen Bericht abgeben oder wenn ich wenige Minuten nach der Evakuierung detailliert beschreibe, was während des Flugs geschehen ist?«
Sie hatte nur einen zornigen Blick für ihn übrig und sagte nichts dazu.
»Okay, während Sie noch weiter darüber nachdenken, werde ich meinen Text ausdrucken und sehen, wie er sich zusammen mit Ihrem lesen läßt.«
Sie hielt inne. »Was meinen Sie mit ›Ihrem‹ Text?«
»Den Text, den ich im Flugzeug verfaßt habe. Ich habe sogar noch ein Interview mit meinem Sitznachbarn geführt.« Die unbekümmerte Belustigung war wieder in seinen Blick zurückgekehrt. »So etwas kommt sehr gut beim Zuschauer an.«
Trotz ihrer Verärgerung hätte sie beinahe gelacht. »Sie haben einen Text verfaßt,
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