Tödliche Liebe: Roman (German Edition)
während Ihr Flugzeug abstürzt?«
»Diese tragbaren Computer funktionieren doch überall. Sie haben übrigens noch ungefähr fünf Minuten, dann kommt Benny vorbei und rauft sich wieder die Haare.«
Deanna starrte hinter Finn her, als dieser davoneilte, um sich einen Schreibtisch zu organisieren.
Ganz offensichtlich war dieser Mann verrückt.
Allerdings war er auch ausgesprochen talentiert, stellte sie dreißig Minuten später fest.
Keine drei Minuten vor der Sendezeit waren das bearbeitete Band und der Abspann fertig. Das ebenfalls überarbeitete, umgeschriebene und mit allen Zeitangaben versehene
Manuskript wurde in den optischen Souffleur eingegeben, und Finn Riley, immer noch in Pullover und Jeans, nahm hinter dem Tisch des Moderators Platz. Sein Bericht wurde landesweit ausgestrahlt.
»Guten Abend. Wir begrüßen Sie zu einem Sonderbericht über Flug 1129. Mein Name ist Finn Riley.«
Deanna wußte, daß er den Nachrichtentext ablas, da sie die ersten dreißig Sekunden selber geschrieben hatte. Dennoch hatte man das Gefühl, er würde eine Geschichte erzählen. Er wußte genau, welches Wort er besonders zu betonen und wann er eine Pause einzulegen hatte. Und er wußte genau, wie er durch die Kamera den Zuschauer erreichte.
Dabei wirkte er überhaupt nicht plump, grübelte sie, und machte auch nicht den Eindruck, sich zu einem gemütlichen Plausch eingefunden zu haben. Er überbrachte die Nachrichten, vermittelte eine Botschaft, und wahrte dabei irgendwie die Distanz.
Ganz schön raffiniert, dachte sie. Immerhin hatte er selbst in dem Flugzeug gesessen, das er beschrieb.
Sogar beim Ablesen seiner eigenen Worte, die er formuliert hatte, als er in einem Flugzeug mit rauchendem linken Triebwerk vom Himmel herabstürzte, blieb er distanziert. Er war der Erzähler der Geschichte, nicht die Geschichte selbst.
Bewunderung schlich sich durch ihre Abwehr.
Als der Filmbeitrag eingespielt wurde, drehte sie sich zum Monitor und sah sich selbst. Mit tropfnassen Haaren und riesigen Augen stand sie da, ihr Gesicht genauso fahl wie das Wasser, das auf sie herunterprasselte. Ihre Stimme klang fest. Das hatte sie im Griff, dachte Deanna. Aber sie war nicht distanziert. Ihre Angst und ihr Entsetzen waren einfach da und teilten sich genauso deutlich mit wie ihre Worte.
Und als die Kamera wegschwenkte, um das über die Landebahn schleudernde Flugzeug einzufangen, hörte sie ihr geflüstertes Gebet.
Ich lasse mich viel zu sehr auf das Geschehen ein, erkannte sie und seufzte.
Es wurde noch schlimmer, als sie Finn auf dem Monitor sah, der Minuten, nachdem er dem beschädigten Flugzeug
entkommen war, die Berichterstattung an sich gerissen hatte. Er wirkte wie ein Krieger, der gerade aus der Schlacht zurückkommt – ein erfahrener Krieger, der jeden Schlag und jeden Hieb kurz und knapp und ohne jedes Gefühl erläutern konnte.
Und er hatte recht. Das kam dem Filmbeitrag zugute.
Während der Werbung ging Deanna hoch in den Regieraum. Ungeachtet des Schweißes, der Benny auf der breiten, zerfurchten Stirn stand, grinste der Produktionsleiter wie ein Schwachsinniger, ein fetter Mann mit einem Gesicht, das immer gerötet war, und der zudem die Angewohnheit hatte, dauernd an seinen glatten braunen Haarbüscheln herumzuziehen. Doch Deanna wußte, daß es für diesen Posten keinen Besseren gab.
»Wir schlagen jeden anderen Sender der Stadt«, meinte er gerade über Kopfhörer zu Finn. »Keiner hat Aufnahmen von der Landung oder vom Beginn der Evakuierung.« Er warf Deanna eine Kußhand zu. »Das ist wirklich toll geworden. In zehn Sekunden bist du wieder zurück auf Sendung, Finn. Dann werden wir die aufgezeichneten Interviews mit den Passagieren bringen. Und los!«
Während der letzten dreieinhalb Minuten der Sendung murmelte Benny unaufhörlich vor sich hin und zog an seinen Haaren.
»Vielleicht hätten wir ihm doch eine Jacke geben sollen«, sagte er irgendwann.
»Nein«, meinte Deanna. Es hatte keinen Sinn, Finn weiter grollen zu wollen. Sie legte Benny eine Hand auf die Schulter und fuhr fort: »Er sieht großartig aus.«
»Und in den letzten Augenblicken, in denen das Flugzeug sich noch in der Luft befand, dachten einige, wie Harry Lyle, an ihre Familie. Andere, wie Marcia DeWitt und Kenneth Morgenstern, dachten an ihre unerfüllten Träume. Für sie und alle anderen an Bord von Flug 1129 war die lange Nacht um sieben Uhr siebzehn beendet, als das Flugzeug auf Landebahn drei sicher zum Stehen kam. Finn Riley für
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