Toedliche Luegen
schweren Verkehrsunfall, bei dem der Familienvater starb und seine Frau und zwei kleine Töchter schwer verletzt wurden. Mit einem Multiorganversagen kam eines der Mädchen in Ferrards Klinik und schon zwei Tage später gelang dem genialen Chirurgenteam unter dem noch genialeren Doktor Ferrard eine gleichzeitige Verpflanzung von Herz, Lunge und Leber. Obwohl er volltrunken seinen Wagen gesteuert hatte, wurde der Richter nie angeklagt. Die Familie bekam eine Entschädigung in Millionenhöhe und als Zugabe eine nette Villa in der Provence, weit ab vom Schuss also, wo niemand sie kannte und keiner unliebsame Fragen stellte. Und die Anschuldigungen gegen Ferrard … Nun, das wissen Sie ja bereits.“
Beate hatte bei Lubeniqis Ausführungen vor Schreck die Luft an gehalten. „Die haben ein Verbrechen einfach so unter den Tisch gekehrt! Verstehe ich das richtig? Es gibt einen organisierten Handel mit menschlichen Organen? Man muss nur die richtigen Leute kennen und bestellen, was man gerade braucht, und sofort wird geliefert?“
Madame Lubeniqi nickte stumm.
Geräuschvoll stieß Beate den Atem aus. „Oh Gott, ich glaube es nicht.“
„Es geschehen noch ganz andere Verbrechen, von denen wir nicht das Geringste ahnen.“
„Das ist unfassbar. Und niemand tut etwas dagegen?“
Beate biss sich auf die Unterlippe. Natürlich, Renée Lubeniqi hatte etwas tun wollen und war auf taube Ohren gestoßen. Diese Verbrecher bewegten sich i n den höchsten und damit über alle Zweifel erhabenen Kreisen. Wer sollte den Mantel des Schweigens von diesen angeblich so integeren Leuten ziehen, wenn sich von ganz oben schützende Hände darüber legten? Wer hatte schon den Mut, mit bloßen Vermutungen an die Öffentlichkeit zu gehen?
„Was … i ch meine, wie viel …“ Beate unterbrach sich und holte tief Luft. „In welchen Größenordnungen bewegen sich die Preise … für Organe? Sind fünfzig… fünfzigtausend Dollar eine realistische Summe? Für eine einzige Niere?“
Wenn Renée überrascht war, diese konkrete Summe zu hören, was auf ebenso konkretes Wissen hindeutete, so zeigte sie es nicht.
„Nun, das hängt von vielen Faktoren ab und lässt sich so pauschal nicht beantworten. Es gibt verständlicherweise keine feste Preisliste und tatsächlich bin ich bei meinen Recherchen auf die unterschiedlichsten Beträge gestoßen. Je nach Alter, Gesundheitszustand und sozialer Herkunft des Spenders wurden in Abhängigkeit von der Dringlichkeit und vor allem dem Vermögen des Empfängers bis zu eine Million Dollar gezahlt, wobei es zumeist von untergeordneter Bedeutung war, um welche Organe es sich handelte.“
Renée blickte der jungen Frau interessiert in die Augen. „Sie fragen nicht ohne Grund. Wo haben Sie diese Zahl her? Fünfzigtausend Dollar.“
„Woher?“ Beate kaute unsicher auf ihrer Lippe und wandte den Kopf ab. „Ja, woher? Das ist eine gute Frage.“
Da Beate nicht sofort antwortete, legte die Journalistin eine Hand auf deren Arm und meinte mit sanfter Stimme: „Bevor wir weiterreden, koche ich uns erst einmal einen starken Kaffee, einverstanden?“ Drohend hob sie den Zeigefinger. „Von wegen es dauert nicht lange, wenn Sie mit Renée sprechen!“
Plötzlich erschien die Journalistin wie verwandelt. Es war nicht zu übersehen, dass ihr diese Geschichte um die Machenschaften des Doktor Ferrard selbst nach all den Jahren keine Ruhe ließ. Sie schien sogar froh, endlich mit jemandem darüber reden zu können.
„Was wollen Sie wissen, Beate? Wonach genau suchen Sie? Doch ich muss Sie gleichzeitig warnen: Es lässt sich oftmals ruhiger leben, wenn man die Wahrheit nicht kennt. Nicht jeder kann damit umgehen. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede. Oder ist Ihr Onkel mit seiner neuen Niere nicht zufrieden und will sie reklamieren?“
Beate w ar das Lachen längst vergangen. „Nein, natürlich nicht. Es geht ihm sogar sehr gut. Diese Ungewissheit, dass er einem anderen … Ich meine, es gibt sicher Dringlichkeitskriterien für die Vergabe von Spenderorganen. Ich muss ständig daran denken, ob er vielleicht einem kleinen Kind, das seit langem todkrank auf eine Niere wartet, dieses Organ weggenommen hat. Und ich weiß nicht, ob ich mit …“
Sie hielt abrupt inne. Nein, es war besser , ihren Vater nicht zu erwähnen. Nicht, solange sie keinerlei Beweise in der Hand hielt, die eine solche Anschuldigung rechtfertigen würden.
„Mit meinem Onkel mag ich nicht darüber sprechen, verstehen Sie? Ihn
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