Tödliche Mitgift
jetzt nicht allein da mit ihren Sorgen um ihre Tochter … Rosa Fanelli spülte sich nochmals die Hände ab und versuchte dabei, ihre Finger mit den kurzen, gelblichen Fingernägeln und der spröden, geröteten Haut nicht zu beachten. Früher hatten auch ihre Hände wie die ihrer Tochter schön und gepflegt ausgesehen. Sie erinnerte sich daran, wie Francesco im Kino immer wieder ihre Fingernägel in seine Handfläche gedrückt hatte. Damals, als sie frisch verliebt gewesen waren und das Kino der einzige Ort, an dem sie allein sein konnten – in der Anonymität eines dunklen Filmtheaters. Da war das Leben bei Weitem nicht so kompliziert gewesen … oder schmerzhaft.
»Mamma!«, hörte sie die energische Stimme ihrer Tochter, als sie die Küche verlassen wollte. Sie sah sich um. »Du hast Mehl an der Augenbraue.«
»Was ist eigentlich passiert, während du in Italien warst? Du bist anders als sonst, Pia«, fragte Hinnerk. Es begann schlimmer, als sie es sich vorgestellt hatte. Reden war ihr Job, das wichtigste Handwerkszeug in ihrem Beruf. Woher kam ihre innere Abwehrhaltung, wenn es darum ging, private Probleme zu erläutern?
»Möchtest du was trinken?«
»Ah … ja. Was hast du da?« Zumindest war er nicht abgeneigt, die bevorstehende Aussprache noch etwas aufzuschieben.
»Leitungswasser … oder Leitungswasser, das Bier ist alle, also Leitungswasser, Orangensaft, Tomatensaft oder Wodka.«
»Ich nehme eine Mischung.«
»Wodka und Tomatensaft, oder aus allem?«
»Nein, Wodka mit O-Saft.«
Pia holte zwei hohe Gläser aus dem Schrank und eine angebrochene Flasche Wodka aus dem Gefrierfach. Sie selbst wollte nur Saft trinken, denn bei der Erinnerung an ihr Trinkgelage mit Andrej schüttelte es sie innerlich. Sie ging in die Hocke, um in den hinteren Regionen ihres Kühlschranks nach dem Orangensaft zu suchen. »Ich hatte ein paar anstrengende Tage in Italien, aber du weißt doch, wie das ist. Ich bin überhaupt nicht anders.«
»Doch. Kurz angebunden, ausweichend. Du riechst sogar anders …«
Sie erhob sich und drehte sich mit dem Orangensaft in der Hand zu ihm um. »Ich rieche anders?«
Hinnerk zuckte mit den Schultern, ohne sie dabei anzusehen. Dann nahm er die Wodkaflasche, schenkte gut zwei Finger breit des vor Kälte zähflüssigen Wodkas in ein Glas und ließ den Flaschenhals drohend über dem nächsten schweben. Pia schüttelte abwehrend den Kopf.
»Siehst du«, kommentierte er ihre Ablehnung spöttisch, dann wurde sein Gesichtsausdruck ernst. »Ich habe den Eindruck, dass etwas zwischen uns steht und du es mir nur noch nicht sagen willst. Ich habe keine Ahnung, was es ist, aber diesen Zustand finde ich unhaltbar. Erzähl mir einfach, was los ist, ansonsten verbringe ich meinen Feierabend lieber woanders.«
»Mit wem?« Sie hatte das nicht fragen wollen, doch das Bild von Hinnerk mit ihrer Schwester ging ihr nicht aus dem Kopf.
»Keine Ahnung. Ist es das? Bist du eifersüchtig?«
Pia fand, dass diese Frage zumindest einfacher zu erörtern war als die gegenteilige Annahme, dass er Grund zur Eifersucht haben könnte. Sie schüttelte die Flasche und füllte ihm sein Glas mit Orangensaft auf. »Ich habe dich gesehen. An dem Tag, bevor ich abgeflogen bin. Im Moislinger Einkaufszentrum …« Wie abgedroschen sich das anhörte! In dem Moment, da es ausgesprochen war, hätte sie es am liebsten schon zurückgenommen.
»Aha.«
»Auf dem Parkplatz. Ich fuhr gerade aus dem Parkhaus, und du standest dort, zusammen mit einer Frau …«
Er nahm bedächtig einen Schluck von seinem Getränk und verzog das Gesicht. »Du hast mich mit Nele zusammen gesehen, oder?«, fragte er. Sie nickte. »War klar, dass das irgendwann herauskommen würde. Warum hast du mich nicht gleich darauf angesprochen?«
»Dazu war keine Zeit.«
»Ja, das ist unser generelles Problem, nicht wahr?«
»Aber meine Schwester nimmt sich die Zeit? Willst du mir das gerade sagen?«
»Das verstehst du nicht.«
»Bescheuerter geht es ja wohl kaum«, entgegnete Pia gereizt.
»Ach ja?«, konterte er wütend. »Du hast einen harmlosen Abend mit deinem russischen Nachbarn und ganz offensichtlich einer Flasche Wodka verbracht. Ich war mit Nele einen Kaffee trinken … ebenfalls völlig unschuldig. Damit ist dann wohl alles geklärt, oder?«
»Das glaube ich kaum«, sagte Pia. Sie kippte ihren Orangensaft in einem Zug herunter. War das sauer! Sie stellte das Glas in die Spüle und ließ Wasser hineinlaufen.
»Ich habe deiner Schwester
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