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Tödliche Mitgift

Tödliche Mitgift

Titel: Tödliche Mitgift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
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rekapitulieren, was sie wusste, und es in Fachbegriffe zu fassen, um es für sich einordnen zu können: Auffällig war die emotionale Kälte, ob durch Medikamente gedämpft oder nicht. Pia meinte, sich an Grenzverletzungen im Umgang von Bianca Nowak und diesem Andi zu erinnern und an eine sexualisierte Atmosphäre. Wahrscheinlich hatte es auch früher schon häufig wechselnde Partner bei der Mutter gegeben … Aus diesem Grund waren Annegret und Matthias als Kinder oft auf sich selbst gestellt gewesen, was seine Launenhaftigkeit und seine Beschützerinstinkte erklärte. In einer sozialen Gemeinschaft suchte sich jeder eine Rolle, um zu überleben. Wenn die Mutter nicht die Verantwortung übernahm, dann der älteste Sohn. Und die Tochter? War sie aufgewachsen in dem lähmenden Bewusstsein, dass sie stets einen männlichen Beschützer brauchen würde?
    Pia schob sich den Rest des Baguettes in den Mund, fischte noch ein Stückchen Tomate mit Basilikum auf, dass auf den Teller gefallen war, und griff nach ihrer Serviette. Das war gut gewesen, ihrem Magen und erstaunlicherweise auch ihrem Kopf ging es wieder besser. Jetzt noch einen Milchkaffee und einen von den Schokoladenmuffins zum Nachtisch. Sie stutzte. Diese Ermittlungen schienen sie mehr Nerven zu kosten, als es sonst der Fall war, wenn es sie jetzt sogar schon nach Süßem gelüstete.
    Neid, nur kein Neid, dachte Heinz Broders, als er die dreistöckige Villa am Hindenburgplatz betrachtete, in der die Anwaltskanzlei Hillinger und Wriedt untergebracht war. Die Nachmittagssonne ließ die schneeweiß gestrichene Fassade leuchten und die sauber geputzten, mehrteiligen Fensterscheiben glänzen. Jedes Detail, bis hin zu dem Messingknauf an der frisch lackierten Eingangstür, vermittelte dem Besucher des Hauses Vertrauen in Kompetenz, Finanzkraft und Stil seiner Nutzer.
    Innen glaubte Broders zu Recht, gepflegte Pitchpine-Fußböden, hohe Räume und Stuckrosetten an den Zimmerdecken erwarten zu dürfen. Eine Umgebung, die er sich gern als privates Umfeld für sich selbst vorstellte, zumindest, wenn er samstags den wöchentlich fälligen Lottoschein ausfüllte. Pia, die gerade ihren Citroën in eine schmale Parklücke zwischen einem knallroten Audi TT und einem Saab-Cabriolet manövriert hatte, schien für die Ungerechtigkeit des Schicksals, das den Menschen solche Häuser vor die Nase hielt und ihnen völlig andere zum Wohnen zur Verfügung stellte, keinen Blick übrig zu haben. Sie stieg mit Schwung die drei Stufen zur Eingangstür hoch, um zu klingeln, und Broders registrierte mit einer gewissen grimmigen Befriedigung, dass man sie beide heute eher nicht mit den üblichen Mandanten verwechseln würde.
    Pia trug Jeans und einen ärmellosen Kapuzensweater über einem grauen T-Shirt. Ihre Haare waren auf eine unordentliche Art und Weise hochgesteckt, die er heimlich ihre »Duschfrisur« nannte. Er selbst hatte seine älteste Polyesterhose und ein abgestoßenes blaues Hemd an. Die modischen neuen Sachen, die er sich im Winter zugelegt hatte, lagen seit Wochen im Schrank – sie erinnerten ihn zu sehr an seine letzte amouröse Niederlage.
    Ein Summen erklang, gefolgt von einem metallischen Klicken, als Pia die hohe Tür aufstieß. Sie wandte sich nach links, wo im unteren Stockwerk die Anwaltskanzlei untergebracht war. Im Eingangsbereich sah hinter einem hohen, geschwungenen Tresen ein schmales Gesicht, das von einem kurzen, blonden Haarschopf eingerahmt wurde, zu ihnen herüber.
    »Wir haben einen Termin mit Frau Behring vereinbart«, sagte Broders nach der Begrüßung. Er musterte die schlanke Frau am Empfangstresen. Auf einem Schild an der Rezeption stand S. Paulsen. Sabine, Susanne, Stefanie, Sophie …? Frau Paulsens linke Hand griff nach dem Telefonhörer, ihr Top enthüllte durchtrainierte Arme und Schultern, die von der Sonne leicht gebräunt waren. Nicht ganz das, was man in einer gediegenen Anwaltskanzlei am Empfang erwartete. Sie hatte einen hellen Blazer über die Rückenlehne ihres Stuhls gehängt, um im Zweifelsfall schnell wieder korrekt auszusehen, vermutete Broders. S. Paulsen schenkte den Wartenden ein professionell verbindliches Lächeln, während sie ihren Chef über die Ankunft der Polizei informierte.
    »Einen kleinen Moment noch, Herr Hillinger ist gerade in einem Gespräch. Möchten Sie so lange Platz nehmen?«
    »Ist Frau Behring nicht da?«, erkundigte sich Pia.
    »Sie können mit Herrn Hillinger sprechen«, erwiderte Frau Paulsen in einem Tonfall,

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