Tödliche Mitgift
Goldschmuck und eine dunkle Chanel-Sonnenbrille, die sie sich lässig ins Haar geschoben hatte. Pia fühlte sich neben ihr zerknittert und hinterwäldlerisch.
»Ich hoffe, der Flug war akzeptabel«, sagte die Commissaria und hielt ihr die Tür zu einem weißen Alfa Romeo auf.
»Danke, alles wunderbar«, antwortete Pia und ließ sich in den von der Sonne aufgeheizten schwarzen Ledersitz fallen. Wenn schon Italien, dann auch richtig.
»Sie sind blass. Ist Ihnen nicht gut?«, erkundigte sich Vittoria Sponza, als sie sich hinter das Holzlenkrad geklemmt hatte. »Ich bin extra selbst nach Florenz gekommen, um Sie abzuholen. Die Befragung von Matthias Nowak ist heute Nachmittag um vier Uhr, da sollten wir die Fahrzeit nach Perugia nutzen, um uns zu unterhalten.«
Pia nickte. Sie war froh, überhaupt ohne nennenswerte Ausfallerscheinungen in Florenz gelandet zu sein. Nach den zwei Aspirin zu Hause und einer kalten Cola im Flugzeug war ihr nun nur noch etwas flau im Magen. Sie blinzelte, weil sich ihre Sonnenbrille tief unten in ihrem Gepäck befand. Der Himmel über Florenz war blau, die Sonne stand hoch und ließ die Luft über dem Asphalt und den Autodächern flimmern.
»Na dann los! Wir haben noch ein ganzes Stück Fahrt vor uns, bis wir in Perugia sind.«
»Wie ist die Identifizierung verlaufen?«, fragte Pia, nachdem ihre italienische Kollegin sich in den fließenden Verkehr eingeordnet und die Klimaanlage des Wagens Pias Gehirn wieder auf Betriebstemperatur heruntergekühlt hatte.
»Der Bruder hat das Opfer als Annegret Dreyling identifiziert. Ich selbst war nicht dabei, aber er soll fast zusammengebrochen sein, als er sie gesehen hat. Eine schlimme Sache, das Ganze. Ich hoffe, wir können den Täter schnell ermitteln.«
»Die DNA-Proben stimmen auch mit den Proben überein, die wir in Annegret Dreylings Wohnung sichergestellt haben«, berichtete Pia. »Es besteht also kein Zweifel mehr, dass es sich bei der ermordeten Frau um Annegret Dreyling handelt. Gibt es neue Informationen über den Verbleib ihres Begleiters, dieses Bernhard Löwgen?«
»Nein. Nichts …« Die Commissaria trat energisch aufs Gaspedal, um einen Transporter zu überholen, der ebenfalls auf der Autostrada 1 in Richtung Süden unterwegs war. »Der Mann ist aus seinem Hotelzimmer verschwunden, bevor Annegrets Leiche entdeckt wurde. Inzwischen wissen wir von einem Zimmermädchen, dass auch ein Teil von Löwgens persönlichen Dingen verschwunden ist. Ein Notebook zum Beispiel, seine Papiere, eine kleine Tasche und ein paar Kleidungsstücke …«
»Denken Sie, dass er das Hotel freiwillig verlassen hat?«
»Wir vermuten, dass er geflohen ist, nachdem er entdeckt hat, dass Annegret Dreyling ermordet wurde. Entweder nachdem er sie selbst ermordet hatte oder aber nachdem er ihre Leiche gefunden hat. Vielleicht befürchtete er, für ihren Mörder gehalten zu werden, oder …«, Vittoria Sponza startete ein weiteres Überholmanöver, das mit einem Hupkonzert kommentiert wurde, »… aus Angst vor dem Täter. Vielleicht weiß Löwgen, wer Annegret Dreyling ermordet hat, und fürchtet sich davor, das nächste Opfer zu werden.«
»Oder er glaubt nur, es zu wissen. Vielleicht war es eine Kurzschlusshandlung, und nun denkt er, dass die Lage für ihn bereits zu verfahren ist, um sich noch bei der Polizei melden zu können.«
»Auch das ist möglich«, bestätigte die Commissaria, »aber er ist trotzdem unser Hauptverdächtiger. Er hatte erstens ein denkbares Motiv für die Tat und zweitens die Gelegenheit, da er direkt nebenan wohnte. Die Hotelzimmer haben eine Verbindungstür, der Schlüssel steckte auf.«
»Von welcher Seite?«
»Von ihrer Seite. Aber das heißt nicht viel. Dem Zimmermädchen zufolge war die Tür die meiste Zeit unverschlossen.«
»Welches Motiv vermuten Sie?«
»Den Verletzungsspuren nach hatte der Täter ein persönliches, wahrscheinlich auch sehr emotionales Motiv. Die Brutalität der Vorgehensweise spricht für eine Beziehungstat. Sie haben die Bilder vom Tatort ja gesehen. Es war zwar nicht der klassische Overkill, aber der Mörder ist auch nicht wie ein Profi vorgegangen – eine geplante Tat, bei der jedoch starke Emotionen im Spiel waren, sagt unser Fallanalyst.«
»Kehlenschnitte sind eine eher seltene Tötungsart«, meinte Pia.
»Ja, darauf hat unser Analyst auch hingewiesen. Die Vorgehensweise erinnert an die Schächtung eines Schlachttieres. Normalerweise findet man bei Kehlenschnitten ein oder zwei weniger tiefe
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