Tödliche Mitgift
sie sich davor fürchtete, dass sich Falten in ihr Gesicht einprägten, die auch Q10 und Co. nicht mehr reparieren konnten. Wie lächerlich, als bestünde ihr Reiz für ihn nur in einem glatten Gesicht … Waren sie einander fremd geworden, seit Rizzo sie so stark beeinflusste? Mit einem Mal wusste er, wann er zum ersten Mal diese Verachtung in ihren Augen gesehen hatte: im Badezimmerspiegel, hier in Perugia in der angemieteten Wohnung. Ihre Blicke hatten sich gekreuzt … Das musste gewesen sein, kurz nachdem er Caterina mitgeteilt hatte, dass er für ein paar Tage nach Rom fahren musste. Was hatte diesen Umschwung der Gefühle nur bei ihr ausgelöst?
Der Kellner kam und unterbrach ihn in seinen Überlegungen. Caterina zahlte, warf noch einen Blick auf den Bon und wirkte dabei verstört. Als sie in Richtung Damentoilette verschwand, blickte Nowak unauffällig auf den Beleg, den sie achtlos auf dem Tisch hatte liegen lassen. 71,17 Euro. Er überschlug die einzelnen Posten, alles schien zu stimmen … Dann erinnerte er sich, dass die Zahl 17 bei vielen Italienern als Unglückszahl galt. In römischen Ziffern XVII, ein Anagramm von VIXI. Ich habe gelebt, woraus folgerte: … und nun bin ich tot.
Ein bescheuerter Aberglaube. Er zerknüllte den Bon und stand auf. Noch zwei oder drei Stunden, dann war dieses Kapitel seines Lebens abgeschlossen, und er würde auf Neustart gehen.
Pia saß mit Vittoria Sponza zusammen in deren Büro, als Petrucci hereinkam. Man hatte das Geräusch seiner festen Schritte schon im Flur gehört; die Tür flog auf, und das Gesicht des Capitano sah so verdrießlich aus, dass die Aktion nur fehlgeschlagen sein konnte. Sie vermutete richtig. Das Haus, das Löwgen ihnen als Lagerort angegeben hatte, war leer gewesen.
»Es sieht aber so aus, als hätte Bernhard Löwgen die Wahrheit gesagt. Die Ware war bis vor Kurzem dort. Man hat gestern in dem Dorf zweimal einen unbekannten weißen Lieferwagen gesehen, der zu dem abgelegenen Haus gefahren ist. Unsere Leute sind zu spät gekommen, nur knapp, aber trotzdem zu spät!«, informierte er die Commissaria.
»Soll ich noch mal mit Löwgen sprechen?«, fragte Pia. Die Unruhe, die Petrucci ausstrahlte, färbte sich auf sie ab. Er sah sie erst nachdenklich an, schüttelte aber dann ablehnend den Kopf. Sein Mobiltelefon schrillte, und er wandte sich zum Telefonieren ab. Er bellte ein paar abgehackte Sätze ins Handy, gestikulierte heftig und verließ dann den Raum, um ungestört reden zu können.
Pia hielt es nicht mehr auf ihrem Bürostuhl. Sie sprang auf und ging zum Fenster. Das Haus war leer geräumt gewesen. Was für eine Enttäuschung!
Petrucci kam wieder herein und redete sofort mit einer Geschwindigkeit auf die Sponza ein, die Pia daran hinderte, auch nur Bruchstücke der Unterhaltung aufzuschnappen und zu deuten. Sie bemerkte aber, dass die Augen des Capitano sich immer wieder fragend auf sie richteten.
»Was ist los?«, wollte Pia wissen, als er geendet hatte und noch bevor die Commissaria, die ihr Telefon schon am Ohr hatte, nicht mehr ansprechbar war.
»Sie haben eine neue Spur. Einen Hinweis, wo die Beute versteckt wurde und wann die Übergabe sein wird«, antwortete die Italienerin.
»Von wem kommt dieser Hinweis?« Von Löwgen ja scheinbar nicht, dachte Pia. Irgendjemand hatte den Capitano eben angerufen.
»Das ist vertraulich.«
Offensichtlich hatten die Carabinieri gerade eine bessere Informationsquelle als Bernhard Löwgen aufgetan und brauchten ihre Hilfe nicht mehr. Doch welche Quelle war das?
»Wann findet die geplante Übergabe statt?«
»Heute Abend um elf.«
So blieb Capitano Petrucci immerhin noch etwas Zeit, eine taktische Einheit zusammenzustellen und einen Operationsplan auszuarbeiten. Sicherlich würden die Carabinieri versuchen, zum Zeitpunkt der Übergabe zuzuschlagen. Dann hätten sie sowohl den Käufer als auch die Verkäufer mitsamt den geraubten Kunstgegenständen an einem Ort versammelt. Pia sah Petrucci an, dass er gerade genau das Gleiche dachte wie sie: Es konnte immer noch eine erfolgreiche Nacht für ihn werden.
Als sie in Richtung Magione fuhren, dem kommerziellen Zentrum am Trasimenischen See, ging gerade das Licht der Straßenlaternen an. Matthias Nowak lenkte den gemieteten Lancia mit ein paar bewussten Schlenkern durch das Gewerbegebiet zum Lager zwei. Er wollte sichergehen, dass sie nicht verfolgt wurden, doch die Straßen hinter ihm, die er fortwährend im Rückspiegel kontrollierte, waren so gut
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