Toedliche Offenbarung
diese endlich ab.
»Michael, ich bin gleich fertig.«
»Ich bin’s, Martha.«
»Oh, Entschuldigung. Ich bin verabredet und dachte … Egal. Schön, dass du anrufst. Gibt es denn bereits Ergebnisse bei den Ermittlungen?«
»Das weiß ich nicht. Es geht um diese Aufzeichnungen, die ich am Freitag bekommen habe. Ich muss wissen, ob die echt sind, ob die historischen Bezüge stimmen.«
»Es hat gerade geklingelt. Ich werde abgeholt.« Roswitha kichert und drückt nebenbei auf den Türöffner. »Ich muss gleich weg.«
»Roswitha, bitte, es ist sehr dringend. Gab es im April 1945 einen Bombenangriff in Celle, einen bei dem …«
»Entschuldige, jetzt habe ich überhaupt keine Zeit. Wie wär‘s Montagabend bei mir?«
»Es ist mir wirklich sehr wichtig.«
Klingeln an der Tür.
»Warte einen Moment«, vertröstet Roswitha sie. »Hallo Michael.« Ihre glucksende Stimme dringt schwach zu Martha durch. »Setz dich, ich bin sofort da.«
Knacken im Telefon. Roswitha ist wieder in der Leitung. »Ich muss Schluss machen. Meine Verabredung ist da.«
»Gab es denn diesen Bombenangriff?«
»Es gab nur einen Einzigen. Der war tatsächlich im April 1945. Aber jetzt ist wirklich Schluss, mein Besuch …«
»Wie wäre es morgen früh?«
»Also gut, du Nervensäge. Komm morgen am späten Vormittag vorbei.« Nach einer Pause setzt sie hinzu: »Aber wirklich am späten. Wer weiß, was der Abend noch bringt.«
Kurz darauf hört Martha das Freizeichen. Schade, sie hätte gerne mehr gewusst. Jetzt sofort. Marthas Finger fangen an zu kribbeln. Diese Ungeduld kennt sie an sich. Sie hasst es, etwas auf die lange Bank zu schieben.
Martha holt sich ihren Laptop aus der Tasche und startet ihn. Sofort hört das Kribbeln ihrer Finger auf. Während der Computer die Verbindung mit dem Internet aufbaut, wählt sie Trixis Nummer. Endloses Tuten am anderen Ende. Martha legt das Telefon zur Seite, als sich Google öffnet. Sie tippt ins Suchfenster: Celle 8. April 1945.
Wenige Sekunden später springt ihr das Datum in den verschiedensten Kombinationen entgegen. Sie startet mit der Onlineenzyklopädie Wikipedia.
Am 8. April 1945 kam es zum einzigen alliierten Bombenangriff auf Celle während des Zweiten Weltkriegs, bei dem die Bahnhofsanlagen das Ziel waren. Mehrere wartende Züge, in denen sich auch etwa 4000 KZ-Häftlinge befanden, wurden schwer getroffen, Hunderte Menschen kamen ums Leben. Einem Teil der KZ-Insassen gelang die Flucht ins nahe Neustädter Holz, jedoch erschossen SS-Wachmannschaften und Celler Bürger in den darauf folgenden zwei Tagen einen Großteil der Flüchtlinge. Die genaue Opferzahl wurde nicht ermittelt. Unter der sarkastischen Bezeichnung Celler Hasenjagd stellt dieses Ereignis das dunkelste Kapitel der Celler Stadtgeschichte dar.
Sie sieht sich weitere Beiträge an, stöbert in Augenzeugenberichten und Beschreibungen. Eigentlich kann sie sich den Besuch bei Roswitha morgen sparen. Als Historikerin hat sie aber vielleicht eine andere Sichtweise, zumindest – Marthas Finger kribbeln schon wieder – könnte sie einige Dinge im Archiv überprüfen.
61
Borgfeld und Streuwald bohren mit den Augen Löcher in ihre Schreibtische. Das Gespräch mit der Mackenrodt ist nach ihrem Geschmack alles andere als erfolgreich verlaufen. Borgfeld knetet seine Hände und bemerkt nicht einmal seinen knurrenden Magen. Die Probleme häufen sich. Felix Rinsing ist immer noch weg. Seine Tochter sitzt draußen und heult. Und als wenn das nicht reichte, hat ihm Maria am Telefon die Hölle heiß gemacht: »Wir müssen Felix’ Eltern benachrichtigen.«
Natürlich hat sie Recht. Warum ist er nicht selber drauf gekommen? Weil er glaubt, dass dieser Felix jeden Augenblick wieder auftaucht.
Maria hat trotzdem sofort die Eltern von Felix angerufen. Allerdings vergeblich. Vielleicht ist das auch ganz gut so. Ihm ist nicht danach, mit irgendwelchen Eltern über das Verschwinden ihres Sohnes zu reden. Familie und Dienst hat er immer getrennt in all den Jahren. Und jetzt das!
»… müssen die Fakten zusammentragen«, beendet Beckmann seine Ausführungen und sieht seine beiden Kollegen erwartungsvoll an.
Borgfeld räuspert sich. »Sonja hat Felix um halb zehn das letzte Mal gesprochen.«
Beckmann mustert ihn entgeistert von oben bis unten.
»Hallo, ich rede von Henry Broderich. Wir müssen nebenbei einen Mord aufklären. Je schneller, umso besser, dann können wir vielleicht auch noch einmal mit dem allerhöchsten Segen Wörstein
Weitere Kostenlose Bücher