Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition)
blickte sie mit ihren unschuldigen Augen so scharf an, dass Marjorie noch weit peinlicher berührt war als jemals zuvor. Es gab so viele Aspekte ihrer Beziehung zu Ted, die sie nie mit ihrer Mutter besprochen hatte, auch wenn sie das ungute Gefühl hatte, dass Mutter, trotz all ihrer Unschuld, alles darüber wusste.
»Sie zahlen ihm bei Weitem nicht genug«, sagte Marjorie – die Gewohnheiten eines zehnjährigen Ehelebens verleiteten sie trotz allem dazu, ihren Mann instinktiv zu verteidigen. »Als Leiter der Filiale sollte er ein höheres Gehalt habenals das bisschen, was er bekommt. Und er muss auch alle möglichen Dinge aus der eigenen Tasche zahlen, eben weil er die Filiale leitet.«
»Ja, Liebes«, sagte Mutter beruhigend. »Ich weiß. Nun, mal sehen, was mir einfällt. Ich werde heute Abend zu euch kommen, nachdem ich Mr Ely sein Abendessen gemacht habe, und dann können wir alles besprechen. Aber hör dir erst einmal an, was Ted dazu zu sagen hat – bevor ich komme.«
Ted war natürlich mürrisch und verärgert darüber. Es fing schon damit an, dass er sich nie damit abfinden konnte, den Wasserkessel selbst aufsetzen und den Tee selbst aufgießen zu müssen, wenn er besonders früh, nämlich um die Schlafenszeit der Kinder herum, nach Hause kam und Marjorie also damit beschäftigt war, sie ins Bett zu bringen – die Alternative, so lange zu warten, bis Marjorie Zeit hätte, es für ihn zu machen, war ihm ebenso zuwider. Und heute Abend kam er natürlich früh nach Hause und machte, typisch Mann, einen solchen Wirbel darum, eine Kanne Tee zu kochen, wie eine Frau ihn höchstens um einen ganzen Tag voller Wäsche machen würde. Griesgrämig saß er da und hörte sich das Radioprogramm an, als Marjorie endlich in der Lage war, sich zu ihm zu gesellen und das Thema anzuschneiden. Er hatte sich die Schuhe ausgezogen – bei diesem heißen Wetter hatte er stets Probleme mit seinen empfindlichen Füßen – und betrachtete düster seine Socken.
»Ted, Schatz«, begann Marjorie, schon leicht verzweifelt. »Es geht um unseren Urlaub in diesem Jahr.«
»Urlaub? Wir machen in diesem Jahr keinen Urlaub«, sagte Ted und fuhr dann, seine Ehefrau ansehend, fort: »Ich habe dir doch schon vor einer Woche gesagt, dass ich mit der Zentrale abgemacht habe, dass die Buchprüfer diesmal im August kommen können, weil wir sowieso keine Möglichkeithaben wegzufahren. Hast du nicht den Brief geschrieben und unsere Reservierung fürs Guardhouse abgesagt, so wie deine Mutter und ich es dir gesagt haben?«
»Doch, Schatz«, sagte Marjorie, »aber ...«
Sie hatte noch nicht bemerkt, dass sie ihren Ehemann in letzter Zeit nur noch »Schatz« nannte, wenn irgendeine Art Spannung zwischen ihnen herrschte. Und Ted auch nicht; aber es ist möglich, dass er, ohne das Wort wirklich zu hören, dadurch irgendwie vor einem aufkommenden Streit gewarnt war. Mit wachsendem Ärger las er den Brief des Besitzers des Guardhouse.
»Ist doch alles Quatsch!«, rief er wutentbrannt. »Der Mann muss verrückt sein. Das müssen wir natürlich nicht bezahlen.«
»Er scheint sich sehr sicher zu sein«, sagte Marjorie.
»Der kann sich von mir aus so sicher sein, wie er will«, erwiderte Ted. »Da kann er warten, bis er schwarz wird. Drei-zehn-drei-sechs! Ich habe nicht mal eben so dreizehn Piepen übrig, ganz zu schweigen von dreizehn Pfund.«
»Aber machen wir in diesem Jahr denn gar keinen Urlaub, Schatz?«, fragte Marjorie.
Kurz bevor Ted nach Hause kam, hatte sie zu hoffen gewagt, dass sie aus ihrer Verpflichtung, das Guardhouse zu mieten, vielleicht das Beste machen könnten, indem sie mit den Kindern allein dorthin fuhr, während Ted in London blieb – unter der Obhut ihrer Mutter vielleicht. Ein Ideal, das ihr eher wünschenswert denn erreichbar erschienen war.
»Nein, wir machen in diesem Jahr gar keinen Urlaub«, schnauzte Ted. »Ich nicht. Und du auch nicht. Wozu brauchst du Urlaub? Die reine Geldverschwendung. Wofür sind denn all die Stadtparks da, möchte ich mal wissen? Was glaubst du, wofür ich Steuern zahle? Was ...«
In wenigen Minuten hatte Ted sich von bloßem Ärger in rasende Wut hineingesteigert. Er schrie mittlerweile und fuchtelte mit den Fäusten in der Luft herum. Sein Gesicht war dunkelrot angelaufen.
»Ted!«, rief Marjorie entsetzt. Das war der Moment, als sie in dem Ehemann, mit dem sie zusammenlebte (im Gegensatz zu dem Ehemann, an den sie nur dachte), zum ersten Mal den Mörder sah. Die unbezähmbare
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