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Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition)

Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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sie jetzt so darüber nachdachte. Ihre kleine unschuldige Mutter, die vor der Welt behütet lebte, konnte sich natürlich kein Bild von der Verderbtheit um sich herum machen. Und Marjorie hatte das Gefühl, dass sie sie auch gar nicht aufklären könnte – dass es tatsächlich ein hoffnungsloses Unterfangen wäre, es zu versuchen. Sie war die Einzige, die das Geheimnis durchdrungen hatte. Und deshalb wäre es ebenso hoffnungslos, auf die Hilfe ihrer Mutter zu setzen, wenn sie Ted verlassen wollte – Mutter wäre der letzte Mensch auf Erden, der eine Ehefrau dazu ermutigen würde, sich von ihrem Ehemann zu trennen. In Marjories Kopf drehte sich alles. Sie war erschöpft von der emotionalen Anstrengung.
    »Oh, Mutter«, sagte sie mit wachsender Verzweiflung. »Du verstehst es nicht.«
    »Ich bin mir sicher, dass ich das nicht verstehe«, sagte Mutter sittenstreng. »Ich versuche ja, nicht zu altmodisch zu sein in meinen Vorstellungen. Aber ich finde schon, dass der Platz einer Frau an der Seite ihres Ehemanns ist, solange kein sehr guter Grund dagegen spricht. Liebes, du hast dich doch hoffentlich nicht irgendwelchen Tagträumen über George Ely hingegeben? Er ist ein so ausgesprochen netter junger Mann. Du hast doch nichts Schlimmes oder Dummes getan?«
    »Oh nein, Mutter.« Jetzt war Marjorie in absoluter Panik. Irgendetwas dieser Art zuzugeben, das erkannte sie jetzt, würde bedeuten, alle Hoffnung auf Mutters Hilfe fahren zu lassen. Das hätte sie sich auch schon früher klarmachen können – und dennoch hatte sie sich gegen besseres Wissen an den Gedanken gehängt, dass Mutter vielleicht Verständnis für sie und George aufbringen könnte. »Als ob ich so etwas tun würde!«
    »Das habe ich auch nie angenommen, Liebes«, sagte Mutter. »Aber als du so aufgebracht sprachst, befürchtete ich schon halb, dass ... Aber darüber müssen wir nicht sprechen. Ich werde nun hoffentlich nichts mehr von diesem Unsinn hören, dass du nicht zu Ted zurückkehren willst. Du willst nicht, dass dieser Urlaub zu Ende geht, nur daran liegt es, glaube ich. Sobald du zu Hause bist und dich wieder daran gewöhnt hast, deinen Haushalt zu führen, wirst du viel zufriedener sein. Versuch’s einfach, Liebes, und du wirst schon sehen.«
    »Ja, Mutter«, erwiderte Marjorie.
    »Alle Männer sind manchmal ein wenig schwierig«, sagte Mutter, als käme diese Beobachtung aus den tiefsten Tiefenihrer Weisheit. »Sogar dein lieber Vater war es, ein- oder zweimal.«
    »Ja, Mutter«, erwiderte Marjorie.
    Und wieder waren ein paar der flüchtigen Stunden, die ihr noch blieben, vergangen. Ungläubig sah sie auf die Uhr, und ihre Mutter folgte ihrem Blick.
    »Die Zeit schreitet voran«, sagte Mutter. »Ich glaube, wir fangen mit dem Packen lieber schon an, bevor die Kinder zurückkommen.«
    Die Umstände schienen Marjorie voranzutreiben, so wie ein Verbrecher von den Wärtern um sich herum von der Todeszelle zum Schafott getrieben wird. Packen, Tee machen, abwaschen, die Kinder baden – ein weiterer langer Abschnitt des Tages wirbelte geradezu vorüber zu Marjories Entsetzen.
    »Fahrt ihr beide heute noch ein letztes Mal aus?«, fragte Mutter. »Ich an eurer Stelle würde es tun.«
    Sie fuhren zu dem Wald hinaus, wo sie sich zum ersten Mal geküsst hatten, doch als sie die Stelle erreicht hatten, blieben sie weder im Auto sitzen noch ließen sie sich auf den Baumstumpf nieder, von dem aus sie den Sonnenuntergang betrachtet hatten. Ohne ein Wort zu wechseln, liefen sie gemeinsam tiefer in den Wald hinein, bis sie vom Weg aus nicht mehr zu sehen waren, und dort drehte Marjorie sich herum und warf sich Ely, fast weinend, in die Arme, und er umklammerte sie begierig.
    Ely gehörte, wie man schon aus der hoffnungsvollen Art schließen konnte, mit der er von der Scheidung gesprochen hatte, nicht zu der Sorte junger Männer, die dankbar nach der Gunst einer verheirateten Frau griffen, weil sie darin die Lösung für das ewige Problem sahen, wie man sowohl das Zölibat als auch die Heirat vermeiden konnte. Er war ganz trunken von Liebe zu ihr. Ihm war nie der Gedanke gekommen,dass er in Zukunft eine bequeme Affäre mit Marjorie führen könnte. Er hatte an nichts anderes gedacht als nur an seine ungeheure Leidenschaft für sie. Er hatte den ganzen Tag mit ihr verbracht, ohne mehr als einen Händedruck zu erhalten. Die Erinnerung an letzte Nacht trieb ihn schier in den Wahnsinn; er war krank und fast ohnmächtig vor Begehren, und der Wald schien sich um

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