Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition)
anscheinend ins Haus gegangen, ohne es hineinzutragen. Rasch schloss Marjorie die Tür auf und brachte die Kinder dazu, die Taschen und Bündel in den Flur zu schleppen, während sie in die Küche eilte, um das Mittagessen vorzubereiten. Im Wohnzimmer dröhnte Musik aus dem Lautsprecher – Ted hörte Radio Normandie, so wie immer am Samstag.
Die Küche war ein Schauplatz des Schreckens, und in der kleinen Waschküche sah es noch schlimmer aus. Es war ein einziges schmutziges Durcheinander, mit schmutzigem Geschirr und schmutzigen Kochtöpfen. Marjorie sah zum Küchenschrank hinüber, den sie vor drei Wochen so ordentlich aufgeräumt zurückgelassen hatte. Jetzt war er vollkommen leer – jedes einzelne Stück Geschirr im Haus war schmutzig und stapelte sich im Ausguss oder auf dem Küchentisch. Auf dem Fußboden lagen Zigarettenkippen herum, der Ausgussstank, und eine rasche Überprüfung zeigte, dass das Abflussrohr verstopft war.
Marjorie brach beinahe in Tränen aus. Doch dann riss sie sich entschlossen zusammen und stellte sich den Aufgaben, die vor ihr lagen. Sie dachte an das kühne Versprechen, das sie George gegeben hatte. Von dieser Rückkehr in ihr altes Leben würde sie sich nicht aus der Fassung bringen lassen.
Der kleine Wasserkessel war schmutzig – anscheinend war sogar darin etwas gekocht worden –, aber der große war sauber. Sie füllte ihn, zündete die Gasflamme darunter an – der Herd war klebrig schwarz verkrustet, doch das konnte warten –, und dann hastete sie durch die Küche und räumte das Durcheinander auf. Auf dem Tisch lag eine Tischdecke, die einst weiß gewesen war und jetzt lauter schwarze Ringe aufwies, wo Kochtöpfe und Bratpfannen daraufgestellt worden waren, und einen gelben See von verkleckertem Ei. Sie riss sie herunter, fand eine frische, wusch genug Geschirr fürs Mittagessen ab und deckte den Tisch. Es dauerte nur zwanzig Minuten, bis die Küche oberflächlich wieder anständig genug aussah und das Mittagessen fertig und serviert war.
»Eichen!«, rief Derrick zufrieden. Zurzeit war ihm ein gekochtes Ei lieber als alles andere, weil er es so essen konnte, dass er »Finger« von Butterbrot hineintauchte.
»Gekochte Eier?«, mäkelte Ted äußerst unzufrieden. »Und Herrgott, Madge, ich könnte schwören, dass diese Sülze hier von Marshall’s ist. Hast du nicht einmal so viel Verstand, um dir zu denken, dass ich in den letzten drei Wochen von Marshall’s Sülze und Eiern gelebt habe?«
»Ich hatte keine Zeit für etwas anderes«, sagte Marjorie. »Es ist inzwischen schon halb drei.«
»Ich muss schon sagen, ein schönes Mittagessen setzt du deinem Mann da vor an einem Samstag«, erwiderte Ted.
Marjorie blieb gefährlich ruhig. Sie blickte Ted an, der angewidert mit der Wölbung seines Teelöffels auf sein Ei einschlug, und empfand eine Woge reinster Genugtuung, als sie an Georges Küsse von gestern Abend dachte. Was für eine erfreuliche Rache. Nichts von dem, was Ted tat oder sagte, konnte sie mehr bekümmern, wenn sie solche Gedanken als Trost hatte.
In dem Moment, als das Mittagessen beendet war und Ted sich mit seiner letzten und stärksten Tasse Tee wieder ins Wohnzimmer gesetzt hatte, um weiter dem Radioprogramm zu lauschen, begann für Marjorie erneut die Arbeit. Sie musste die Küche sauber scheuern – sie konnte es keinen Augenblick länger mehr ertragen –, dann den Abwasch beenden und noch die Kochtöpfe schrubben (mindestens zwei waren so hinüber, dass nichts mehr zu retten war), bevor sie im restlichen Haus weitermachen konnte. Sie arbeitete wie eine Sklavin in der anstrengenden Hitze. Flur, Esszimmer, Schlafzimmer, alles war in verdrecktem und vernachlässigtem Zustand. Ins Wohnzimmer, wo Ted saß, schaute sie gar nicht erst hinein. Sie konnte sich vorstellen, dass es dort noch schlimmer aussah als überall sonst, und sie hatte weder die Zeit übrig noch den Wunsch, Ärger zu riskieren, indem sie Ted aus seinem Sessel aufscheuchte.
Um die Kinder zu beruhigen und aus dem Weg zu schaffen, musste sie das Zugeständnis machen, vor dem sie immer zögerte – ihnen die Erlaubnis geben, auf dem Trampelpfad zu spielen, der zwischen der Gärten hinter den Häusern und den Eisenbahnschienen verlief und von wo sie die Züge in dem flachen Tal vorbeifahren sehen konnten. Die Kinder machten zum Glück keinen Ärger; sie waren glücklich und vollauf damit beschäftigt, ihre alten Lieblingsplätze aufzusuchen und herauszufinden, was sich während ihrer
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