Tödliche Panne: Ein Las-Vegas-Krimi
Er hatte den obersten Knopf seines weißen Hemdes geöffnet und die schwarz-blau gemusterte Krawatte lose umgebunden. Sein graues Jackett hing über der Lehne des ledernen Chefsessels.
Er sah von seinem Papierkram auf. Ein flüchtiges Lächeln, das gekünstelt wirkte, huschte über seine schmalen Lippen. »Detective James. Kommen Sie doch bitte rein.«
»Danke«, sagte Alice. Dann ging sie zu dem Holzstuhl, der vor seinem Schreibtisch stand, nahm darauf Platz und glättete ihren Rock.
Bradley erhob sich und schlurfte zur Tür. Er machte sie leise zu und setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch.
Er strich seine Krawatte zurecht, verlagerte sein Gewicht im Sessel und beugte sich vor, die Finger verschränkt. »Ich glaube, heute ist es das erste Mal, dass ich die Gelegenheit habe, mit Ihnen zu sprechen, seit ich im Juli diese Stelle angetreten habe.«
Alice schlug ihre Waden übereinander und zog sie unter den Stuhl. »Das ist richtig.«
»Ich bin wirklich noch nicht lange genug hier, um alle Ermittler zu kennen, die in dieser Abteilung arbeiten, aber ich komme allmählich dazu.« Er wandte sich einem dünnen Stoß Papier zu seiner Linken zu, nahm das oberste Blatt und legte es vor sich. »Ich sehe hier, dass Sie nicht viel länger in der Mordkommission sind als ich – sechs Monate.« Er sah zu ihr auf.
»Das ist richtig«, sagte Alice.
»Wie gefällt es Ihnen bisher?«
Sie faltete die Hände in ihrem Schoß und zuckte mit den Schultern. »Ich würde sagen, meine Gefühle sind gemischt.«
»Könnten Sie sich vielleicht ein bisschen deutlicher ausdrücken? Was gefällt Ihnen an diesem Job?«
»Als ich meine Prüfung bestanden habe und befördert wurde, war ich hocherfreut. Ich dachte, jetzt hätte ich die Gelegenheit, mit ein paar intelligenten Kollegen zusammenzuarbeiten und gleichzeitig selbst etwas beizutragen. Mir sind in dieser Abteilung einige talentierte Leute aufgefallen und ich hatte gehofft, mit einem von ihnen als gleichberechtigte Partnerin zu arbeiten …« Sie machte eine Pause.
»Und was ist die Kehrseite?«
Sie seufzte. »Ich hab das schlechteste Los gezogen.«
Bradley setzte sich aufrecht hin, soweit es seine Körperfülle zuließ. Er kniff die Augen zusammen. »Ich gehe mal davon aus, dass Sie damit Detective Harris meinen.«
»Das ist richtig«, erwiderte Alice.
Er atmete tief durch und presste die Lippen zusammen. »Ich hatte heute Nachmittag eine längere Unterhaltung mit Detective Harris. Ich kenne ihn zwar nicht so gut wie Sie, aber bis jetzt hat mich seine professionelle Arbeitsweise beeindruckt. Vor allem im Hinblick auf seine Vorgehensweise, seine strikte Einhaltung der Vorschriften, sein vorbildliches Verhalten, dasman von einem guten Ermittler erwartet, und seine Begeisterung für diesen Beruf.
Zugegeben, ich kann verstehen, wie frustrierend es für Sie sein muss, als angehende Ermittlerin anzufangen und dabei so viel wie möglich zu lernen, während Sie gleichzeitig den ständigen Stress bewältigen müssen, den diese neue Stelle mit sich bringt. Und dass Sie gerne mehr beitragen möchten, obwohl Sie womöglich gar nicht genau wissen, was Sie Wertvolles beitragen können.«
»Sir, ich weiß durchaus, was ich beitragen kann, und ich bin sicher, dass es wertvoll ist.«
Bradley nickte grinsend. »Daran besteht kein Zweifel. Als jemand, der selbst zwei Töchter großgezogen hat, kann ich das ganz und gar verstehen.«
Alice neigte den Kopf ein wenig zur Seite. »Was können Sie verstehen? Dass ich als Frau automatisch dumm sein muss?«
Bradley hob beschwichtigend eine Hand. »Das habe ich nicht gesagt.«
»Nein, aber Sie haben es angedeutet.«
»Sie finden anscheinend Gefallen daran, anderen Leuten das Wort im Mund umzudrehen, Detective James.« Er faltete die Hände. »Ich glaube, dass Frauen heute eine Menge Möglichkeiten offenstehen, die es früher nicht gab. Das gilt besonders für Angehörige ethnischer Minderheiten. Und das ist auch gut so. Aber in anderen Abteilungen, wie zum Beispiel bei der Sitte oder der Drogenfahndung, werden auch gute Leute gesucht. Die Abteilungsleiterin bei der Sitte ist zum Beispiel eine Frau. Und ich kann mir durchaus vorstellen, dass Sie in diesem Bereich Hervorragendes leisten könnten.«
»Sie meinen, wenn ich als Prostituierte arbeite oder so tue, als wäre ich eine?«
Er lachte glucksend. »Ich will damit nur sagen, dass es andere Aufgabenbereiche bei der Polizei gibt, für die Sie sich vielleichtbesser eignen – für den Fall,
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