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Tödliche Saturnalien

Titel: Tödliche Saturnalien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberts John Maddox
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verließen die Insel und kehrten durch die Porta Flumentana in die Stadt zurück. Das angrenzende Viertel gehörte, obwohl hier einige von Roms ältesten und schönsten Tempeln standen, nicht zu den besseren der Stadt. Die Bewohner waren zumeist im Hafen beschäftigt, auf den Docks, in den Lagern, beim Löschen der Ladungen und so weiter. Es war das Viertel mit dem höchsten Ausländeranteil innerhalb der Stadtmauern. Am schlimmsten jedoch war, daß der Stadtteil direkt an den Abfluß von Roms beiden größten Abwassergruben grenzte. Und an jenem Morgen stank es fürchterlich, wenn auch nicht ganz so entsetzlich wie an manchem heißen Sommertag.
    Aristons Praxis befand sich im Obergeschoß eines zweistöckigen Gebäudes gegenüber dem Forum Boarium. Im Erdgeschoß residierte ein Laden, der importierte Bronzemöbel verkaufte. Die Treppe befand sich an der Außenseite des Gebäudes und führte auf eine offene Terrasse, die auf drei Seiten von Pflanzenkästen mit Efeu und anderem anmutig rankenden Grün begrenzt war. Das Treppengeländer und die Ecksteine der Brüstung waren mit gemeißelten Symbolen der medizinischen Zunft dekoriert: Schlangen, Äskulapstäbe und dergleichen.
    Wir trafen Narcissus auf der Terrasse, wo er im hellen Morgenlicht einen Patienten untersuchte. Überrascht blickte er auf.
    »Laß dich bitte nicht stören«, sagte Asklepiodes.
    »Meister Asklepiodes!« sagte Narcissus. »Aber keineswegs. Im Gegenteil, wenn du mir die Ehre erweisen würdest, möchte ich gerne deine medizinische Meinung zu diesem Fall hören.«
    »Aber gewiß«, sagte Asklepiodes.
    »Guten Tag, Senator … ich bitte um Verzeihung, aber ich habe das Gefühl, als sollten wir uns kennen.« Narcissus war ein gutaussehender, ernster junger Mann mit dunklen Haaren und Augen. Um die Stirn trug er das schmale Haarband seiner Zunft, das er in einem kunstvollen Bogen nach hinten geknotet hatte.
    »Du hast diverse Mitglieder seiner Familie behandelt«, erklärte Asklepiodes. »Dies ist Senator Decius Caecilius Metellus der Jüngere.«
    »Ah! Die Gesichtszüge der Meteller sind unverkennbar. Willkommen Senator Metellus. Bedarf deine Familie meiner Dienste?«
    »Ich nehme an, du hast die Praxis des verstorbenen Ariston übernommen?« sagte ich.
    »So ist es.«
    »Ich habe nur einige Fragen bezüglich deines früheren Patrons und Mentors«, erklärte ich. »Aber kümmere dich bitte zuerst um deinen Patienten.«
    Narcissus drehte sich um und klatschte in die Hände. Ein verkaterter Sklave kam aus der Dachgeschoßwohnung, die die vierte Seite der Terrasse bildete. »Bring einen Stuhl und eine Erfrischung für den Senator«, befahl der Arzt.
    Der Mann auf dem Untersuchungsstuhl war eine kräftige Gestalt Mitte dreißig, dessen Kopf auf einer Seite ein wenig deformiert aussah. Außerdem wirkte sein Gesichtsausdruck leicht schläfrig und benommen.
    »Das ist Marcus Celsius«, sagte Narcissus. »Ein regelmäßiger Patient von mir. Gestern abend ist er während der Festlichkeiten an einem Wohnhaus vorbeigekommen, auf dessen Dach eine Feier abgehalten wurde. Ein Ziegel löste sich und fiel ihm auf den Kopf.«
    Der Sklave brachte mir einen Stuhl und einen Becher warmen Wein, und ich nahm Platz und beobachtete interessiert die weitere Behandlung.
    »Ich verstehe«, sagte Asklepiodes. »Wurde er hierher getragen oder konnte er laufen.«
    »Er kann laufen und sprechen, auch wenn seine Rede nach einer Weile ein wenig wirr wird.«
    »So weit, so gut«, meinte Asklepiodes. Er trat zu dem Patenten und fuhr mit seinen langen, empfindlichen Fingern über den Schädel des Mannes. Er drückte und tastete ihn gründlich ab, wobei der Patient nur gelegentlich zusammenzuckte, wenn Asklepiodes die Platzwunden an seiner Stirn berührte. Schließlich wandte der Arzt sich befriedigt ab.
    »Ich nehme an, Hippokrates Schriften über Die Verwundungen des Schädels sind dir geläufig?« fragte er Narcissus. Er hatte ins Griechische gewechselt, eine Sprache, die auch ich einigermaßen flüssig beherrschte.
    »Durchaus, aber wie mein ehemaliger Patron habe ich es mehr mit Erkrankungen als mit Verletzungen zu tun.«
    »Es handelt sich um eine vergleichsweise simple Schädelfraktur. Das abgebrochene Schädelplattenfragment bewegt sich frei, so daß man es wahrscheinlich nur wieder in die richtige Position schieben und vielleicht mit einem Silberdraht fixieren müßte. Das kann ich jedoch erst entscheiden, wenn ich die freigelegte Fraktur gesehen habe; aber möglicherweise

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