Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)
tönte irgendwie falsch, ich spielte die Tapfere nur.
Schwester
Anna fügte lächelnd hinzu, Alex’ Mutter habe mich ins Herz geschlossen und würde
sich freuen, wenn aus uns bald ein ›richtiges Paar‹ würde, wie sie sich ausdrückte.
Sie seien beide auf meiner Seite und wünschten mir viel Glück für die hoffentlich
gemeinsame Zukunft.«
»Also eine
richtige Verschwörung der Frauen gegen Alex«, meinte Marianne und hob ihr Glas,
um Eva zuzuprosten.
Sie saßen vergnügt beim Essen, zwei
alleinstehende Frauen, und an den anderen Tischen schienen sich die Ehepaare meist
eher zu langweilen.
»Erich,
denk an deinen Magen.«
»Teigwaren
als Vorspeise machen dick.«
»Fritz,
nicht so viel Butter aufs Brot. Denk ans Cholesterin, an dein Herz.«
»Ich bin
müde, Schatz, gehen wir aufs Zimmer.«
»Kannst
du mir meine warme Jacke holen, es ist plötzlich kühl geworden.«
»Wir sollten
deiner Mutter endlich eine Karte schreiben.«
»Ich finde
den Kaffee nicht gut. Morgen kaufen wir uns Pulverkaffee im Dorf.«
Marianne
und Eva tranken eine ganze Flasche Wein und lachten immer wieder so laut, dass die
Leute sich empört nach ihnen umdrehten.
»Marianne,
möchtest du verheiratet sein?«
»Gott behüte,
nein. Das wäre nichts für mich.«
»Ich möchte
nicht tauschen mit diesen Ehepaaren. Und du?«
»Eine überflüssige
Frage. Ich bestimmt nicht«, antwortete Marianne.
»Wenn ich
Alex geheiratet hätte, wäre ich unglücklich geworden. Wahrscheinlich hätte ich mich
zu sehr angepasst, mich untergeordnet und dies zu spät gemerkt. Ich wäre vermutlich
längst geschieden – oder sehr unglücklich geworden. Ich bin noch einmal davongekommen.«
»Ja, aber
bitte, Eva, erzähl mir endlich von eurem Abschied. Was hast du Alex geantwortet?
Und habt ihr tatsächlich eine letzte Tour unternommen?«
»Ich verrate
nicht gleich alles, Marianne, du wirst es noch erfahren. Die Hochtour zu schildern,
die wir zum Abschluss unseres Aufenthaltes gemacht haben, fällt mir nicht leicht,
obwohl seither so viel Zeit verstrichen ist.«
Die letzte Tour des Sommers. Alex
wählte als ehrgeiziges Ziel die Bernina, den höchsten Gipfel der Ostalpen im Oberengadin
in der Schweiz. Nach langem Diskutieren konnte er Francesco und Roberto, zwei seiner
engsten italienischen Freunde, überreden, mitzukommen. Das sei eine Traumroute,
ein großartiges alpines Erlebnis, das man nicht verpassen dürfe, schwärmte er. Eine
Viererseilschaft über den Gletscher – für ihn der krönende Abschluss der Bergsaison.
Es galt,
Abschied von Südtirol zu nehmen. Die Lara-Hütte wurde abgeschlossen. Mit Tränen
in den Augen verabschiedete sich Alex’ Mutter von »ihren Kindern« und winkte ihnen
lange nach.
Gegen Mittag
saßen Alex und Eva schon in Bozen im Hotel »Central« auf Stühlen mit dunkelroten
Polstern und herzförmig geschnitzten Lehnen beim Essen. Zum letzten Mal. Eva bestellte
zum Nachtisch duftenden, staubzuckerbestreuten Apfelstrudel, der gut zur obstreichen
Gegend passte. Und genau dieser Staubzucker blieb ihr in der Kehle stecken, und
sie begann zu husten, auf einmal kamen ihr Tränen, die sie unbemerkt abwischen konnte:
Abschiedsschmerz, den sie bisher verdrängt hatte und den Alex ignorierte.
Ein Gewitter
brach aus, als sie später der Schweiz entgegenfuhren. Wind, Regen und dunkler Himmel
– das passte zu Evas bedrückter Stimmung. Sie war sehr schweigsam unterwegs im Auto.
Würde sie je zurückkommen nach Südtirol, würde sie den nächsten Sommer wieder am
Völser Weiher verbringen? überlegte sie schweren Herzens, aber sie machte keinen
Versuch, mit Alex darüber zu sprechen, er wäre ihr sicher ausgewichen.
Im Gasthaus
am Ofenpass, der einzigen Verbindung zwischen dem Vintschgau und dem Inntal, übernachteten
sie, um sich an die Höhe – gut 2000 Meter – zu gewöhnen. Eva konnte lange nicht
einschlafen, die Ungewissheit, wie es mit ihr und Alex weitergehen würde, lag wie
ein schwerer Druck auf ihrem Magen. Am nächsten Morgen trafen sie sich zum Frühstück
mit Francesco und Roberto.
Auf der
Weiterfahrt schien Alex unüblich nervös, und kurz vor Pontresina, als ein schwerer
Lastwagen ihm in einer scharfen Kurve den Weg fast abschnitt, geriet er außer sich
vor Zorn, schimpfte über die Schweiz und wollte den Chauffeur beim nächsten Polizeiposten
anzeigen. Was war in ihn gefahren?
»Siehst
du, kaum sind wir über die Grenze, beginnen bereits die Unannehmlichkeiten«, erklärte
er erregt.
Er hat sich
einen
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