Tödliche SMS (German Edition)
Sekunde dachte sie daran, Remo Bauer anzurufen. Aber was sollte sie ihm sagen? Ich habe wieder eine SMS erhalten, diesmal mit einer höflichen Frage? Andrea lachte kurz hysterisch auf. Und? Was konnte dieser Inspektor schon Großartiges tun? Nein, sie würde die Sache selbst in die Hand nehmen, und fürs Erste nahm sie sich vor, die SMS zu ignorieren. Stalking, dieses Wort half ihr zwar nicht dabei, nicht auszurasten. Aber immerhin konnte sie die Bedrohung beim Namen nennen. Obwohl, es handelte sich hier definitiv um keine wirkliche Drohung, sondern nur um einen bösen Scherz. Aber hatte es das nicht immer getan? Das Bedrohliche war immer nur zwischen den Zeilen zu lesen. Vordergründig war da kein böses Wort, keine offensichtliche Verfolgung. Mit den Augen suchte sie das Dach des gegenüberliegenden Hauses ab. Als sie Harry und Sally friedlich vereint nebeneinander sitzen sah, wich nach und nach die Angst aus ihrem Körper. Keine Ahnung, warum die beiden Türkentauben auf sie beruhigend wirkten. Vielleicht war es ihr Ruf, den man hie und da sogar durch die geschlossenen Fenster erahnen konnte. Wenn man ganz genau hinhörte, hörte man, dass die Betonung ihres dumpfen dreisilbigen Gurrens auf der zweiten Silbe lag, ähnlich einer immer gleich klingenden Melodie.
Vor den Fenstern tauchte Wien allmählich in sanfte Abenddämmerung. In den Wohnungen rundum gingen Lichter an. Hinter den vorgezogenen Vorhängen waren deutlich ihre Silhouetten zu sehen. Die Menschen gingen ihrer täglichen Routine nach. Abendessen richten, Fernsehen, manche saßen bei Tisch und redeten miteinander. Wenig später lagen ihre Wohnung und eine ihr gegenüberliegende in völliger Dunkelheit. Sie zwang sich zur Normalität, machte Licht und begann in der Küche herumzuräumen. Sie wollte etwas tun. Irgendetwas, nur um in Bewegung zu bleiben.
Den Fernseher aufdrehen? Nein, sie würde unter Garantie die Nachrichtensendung erwischen. Sie war noch nicht bereit dazu.
Spazieren gehen? Auch diesen Gedanken verwarf sie. Die Dunkelheit wirkte bedrohlich. Und, sie hatte seit Silkes Tod Angst vor der Dunkelheit.
Kochen.
Genau, sie würde wieder einmal kochen.
Das Hantieren mit Töpfen und Pfannen lenkte sie ab.
Ja, sie würde kochen, auch wenn sie keinerlei Hungergefühl verspürte.
Sie öffnete die Kühlschranktür und überlegte, wie am Tag ihrer Ankunft.
Es musste etwas sein, das sie für lange Zeit in Anspruch nahm. Gemüselasagne.
Natürlich, sie würde Gemüselasagne machen. Damit war sie mindestens zwei Stunden beschäftigt. Sie räumte Zwiebel, Brokkoliröschen und Zucchini auf ein Schneidbrett, legte Parmesan, Mozarella und Ricotta daneben, dann befahl sie sich selbst: „Maestro! Musik!“ Kurz darauf ertönte die samtweiche Stimme Lucio Dallas.
Während sie das Gemüse für die Füllung vorbereitete, schweiften ihre Gedanken wieder zu ihrem Problem ab.
Wer verfolgte sie?
Wer zum Teufel war hinter ihr her?
Sie gab sich selbst die Antwort. Chris wusste, dass sie in Wien war. Er hatte es von Anfang an gewusst. Warum auch immer.
Wenn dieser Inspektor recht hatte und der SMS-Schreiber und der Mörder ihrer Freundin nicht ident waren, dann konnte nur er es sein. Oder war er auch der …?
„Nein, das ergibt alles keinen Sinn“, versuchte sie sich zu beruhigen.
Als sie Silke zum ersten Mal gesehen hatte, war es wie in einem dieser Hollywood-Filme gewesen.
Das Lokal war voller Filmleute. Wichtige, weniger wichtige und Wichtigtuer.
Andrea hatte sich den ersten freien Hocker an der Bar geschnappt und sich darauf niedergelassen. Sie beobachtete die Menge, während sie lustlos an ihrem Cocktail nippte. Für gewöhnlich hasste sie Cocktails, trank auch keine. Aber diesmal hatten sie gleich an der Tür jedem Premierengast einen in die Hand gedrückt, und es war ihr nicht gelungen, das Glas an einem freien Platz wieder abzustellen. Also schleppte sie es mit sich an die Bar, und nachdem der Barkeeper auf sich warten ließ, schlürfte sie notgedrungen ihr Getränk, was immer das auch war. Silke setzte sich neben sie. Auch sie war von dem oberflächlichen Geplänkel rundherum gelangweilt. Sie plauderten die halbe Nacht und kurze Zeit später zog sie bei Silke ein. Sechs Jahre lang lebten sie in der Wohnung zusammen, bis Andrea vor einem Jahr nach München übersiedelt war.
Ihre beste Freundin Silke. Zwei Jahre jünger als sie. Sie war in der Semmelweißklinik in Gersthof geboren worden. In Gersthof ging sie zur Schule und in Gersthof verlor
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