Tödliche SMS (German Edition)
sie auch ihre Jungfräulichkeit. Es war ein Endzwanziger aus der Nachbarschaft. Ihre Eltern durften davon nichts erfahren. Er war eindeutig zu alt für sie. Zumindest hatte ihr Silke das soerzählt. Sie hatte ihr auch den Namen des Mannes verraten, der war aber in Andreas Erinnerung verblasst. An diesem Abend hatten sie sich Harry & Sally zum ersten Mal gemeinsam angesehen. Hunderte Taschentücher griffbereit. Danach hatten sie sich von ihrer ersten großen Liebe erzählt.
Und jetzt war Silke tot.
Es läutete schrill. Erschrocken fuhr sie herum. Jemand musste auf der Straße vor dem Haustor stehen, das erkannte sie am Tonfall der Glocke. Der Ton der Klingel an der Wohnungstür klang dumpfer.
Sie ging zur Gegensprechanlage, drückte den Knopf.
„Hallo“, sagte sie zaghaft.
„Remo Bauer. Ich bring den Computer Ihrer Freundin zurück und ähm … ich wollte sehen, wie’s Ihnen geht.“
„Kommen Sie herauf. Ich koche gerade und kann Gesellschaft gut gebrauchen“, forderte Andrea ihn auf und drückte auf den Türknopf. Ein Summton ertönte durch die Anlage, dann hörte sie, wie der Inspektor die schwere Tür aufdrückte, die kurz danach mit einem leisen „Klick“ wieder ins Schloss fiel. Jetzt zwang sie nichts mehr, alleine durch den leeren Abend zu treiben. Ein rascher Blick in den Spiegel. Sie war mit ihrem Aussehen zufrieden.
Andrea öffnete die Wohnungstür. Remo Bauer stieg langsam die Stufen in den dritten Stock hoch. Er sah gut aus: Jeans, ein weißes Baumwollhemd, ein dunkelblaues Sakko, das er offen trug, und darüber einen schwarzen Kurzmantel. Dunkle, kurz geschnittene Haare, ein ruhiges, entspanntes Gesicht, auf dem sich langsam ein Dreitagebart abzeichnete. Gewollt? Oder hatte er einfach keine Zeit zum Rasieren gehabt? Jedenfalls verlieh ihm das eine Art Verwegenheit.
„Guten Abend, Inspektor“, sagte Andrea.
„Guten Abend, Frau Reiter“, antwortete er. Er hielt einen schwarzen Laptop in der Hand. „Hier, der Computer Ihrer Freundin. Wir haben ihn mitgenommen, aber nichts Verwertbares gefunden. Ich dachte, ich bring ihn wieder zurück, damit die Sachen von Frau König vollständig sind.“
Andrea nickte und ließ ihn eintreten. Kurz standen sie im Vorraum einander gegenüber, sahen sich in die Augen, bis der Polizist sich abwandte, verlegen wie ein Schuljunge. „Ich habe Neuigkeiten, die Sie sicher interessieren werden. Ihre Freundin wird von der Gerichtsmedizin freigegeben. Sie kann beerdigt werden. Die Kollegen werden den Königs Bescheid geben.“
Andrea drehte sich herum, ging schweigend voraus in die Küche. Er folgte ihr. Sie entnahm aus einem Küchenkasten zwei Teller, stellte sie auf den Tisch, stellte zwei Rotweingläser und eine offene Flasche daneben, legte Besteck und Servietten dazu, holte die dampfende Lasagne aus dem Rohr. Sie verzichtete diesmal darauf, ihn zu fragen, ob er im Dienst sei.
„Erwarten Sie Gäste?“, fragte Remo Bauer und starrte auf die Auflaufform aus Glas in Andreas Händen. Sie folgte seinem Blick und lächelte. „Nein, aber ich musste mich ablenken und das gelingt mir am besten, wenn ich koche.“
Sie stellte die Pfanne ab, begann die Lasagne in Stücke zu schneiden und aus der Form auf die Teller zu balancieren.
„Ich hätte mir wahrscheinlich Spiegeleier in die Pfanne gehauen oder eine Pizza gewärmt.“
„Das dauert nicht lange genug. Ich habe keinen Hunger, musste mich nur beschäftigen. Eine Stunde, zwei Stunden.“
„Warum mussten Sie dann gleich für eine ganze Kompanie kochen?“
„Weil mir das Kochen Spaß macht, ganz einfach.“
„Hm“, brummte er, ließ das Thema fallen, begrub das Ganze in seinem Gehirn unter weibliche Logik. „Sie sprachen von Ablenkung. Haben Sie wieder eine SMS bekommen?“
„Nein“, log sie. „Ich muss mich einfach von der Tatsache ablenken, dass Silke tot ist.“ Sie hoffte, dass er ihr nicht ansehen würde, dass sie flunkerte, deshalb brachte sie das Gespräch schnell wieder aufs Essen. „Wenn Sie nicht gekommen wären, würde ich mich wahrscheinlich die nächste Woche von Gemüselasagne ernähren.“
„Aber nur wenn Sie morgens, mittags und abends ein Stück essen. Sonst reicht es wohl für vierzehn Tage“, erwiderte er. Er sog den Geruch des Essens ein. „Aber wenn es nur annähernd so gut schmeckt wie es duftet, dann hätte ich kein Problem, tagelang Lasagne zu essen.“
„Greifen Sie zu! Ich bin eine gute Köchin. Glauben Sie mir!“
Sie aßen eine Weile schweigend. Erst dann fragte
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