Tödliche SMS (German Edition)
Ende war.
„Ja! Irre, nicht wahr? Barbapapa, Bob Marley, die Kinder vom Bahnhof Zoo. Über alles Mögliche.“ Sie machte eine Pause und fing Remo Bauers Blick ein. „Worüber reden denn Sie so, wenn Sie jemanden kennenlernen?“
Er zuckte mit den Schultern „Weiß nicht? Über die Arbeit, das Wetter oder so.“
Andrea hielt ihm ihr Weinglas entgegen. Es war leer. Er schenkte nach.
„Sehen Sie! Und wir redeten über Musik, Filme und Zeichentrickfiguren. Es war einfach großartig. Wir haben gelacht und gealbert wie Zehnjährige.“
„Ich dachte immer, Frauen reden über Männer, Mode und so Zeug“, sagte Remo Bauer zaghaft.
„Sind wir normale Frauen? Sehen Silke und ich aus wie stinklangweilige Frauen, die über Männer und Mode reden?“, ereiferte sich Andrea mit leichtem Zungenschlag, stellte ihr Glas ab und warf ihm ihre Hände mit den Handflächen nach oben entgegen. Sie war betrunkener, als sie sein sollte.
„Nein, wahrscheinlich nicht, aber …“
Ihr Blick ließ ihn verstummen. Instinktiv beugten sie sich leicht nach vorne, so wie Marionetten, die an dünnen Fäden hingen. Sie sahen einander nur in die Augen und trotzdem wusste jeder, was in wenigen Augenblicken folgen würde. Es durfte, sollte, konnte nicht sein. Er, der Polizist. Sie, die Frau im Ausnahmezustand. Trotzdem war die Spannung zwischen ihnen spürbar. Die Luft elektrisch geladen.
Es ist ein Fehler, hämmerte es in ihren Köpfen. Ein fataler Fehler.
Dann endlich küssten sie sich. Wer wen küsste, konnte man nicht genau sagen.
Minuten.
Plötzlich stieß Andrea Remo zurück, stand abrupt auf, legte eine CD ein und stellte sich dicht ans Fenster, drückte ihre Stirn an das kühle Glas. Mit Tränen in den Augen sang sie das Lied, das sie so oft mit ihrer Freundin gesungen hatte.
Somewhere over the rainbow,
way up high,
there’s a land that I heard of
once in a lullaby.
Remo Bauer beobachtete sie. Sein Blick verfing sich an ihrem Rücken und ihren rotblonden Locken, verriet, dass er sich bis über beide Ohren in diese Frau verliebt hatte.
„Silke ist aber kein typisch österreichischer Name?“ Remo Bauer versuchte die Situation wieder auf eine sachliche Ebene zu bekommen.
Andrea schüttelte den Kopf, starrte dabei weiterhin aus dem Fenster. „Nein. Sie wurde nach ihrer Großmutter benannt. Sie stammte irgendwoher aus dem Norden Deutschlands. Wie sie nach Wien kam, weiß ich nicht genau. Sie starb, als Silkes Mutter noch sehr klein war. Ein Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg.“ Andrea wandte sich um. „Wie konnte das passieren?“
Er schwieg, wusste, dass sie nicht den Kuss damit meinte. Es gab aber einfach nichts zu sagen. Derartiges war nicht zu erklären, auch gab es nichts zu verstehen oder zu verzeihen. Eine Bestie hatte gemordet, ihr Opfer gerissen. Basta.
Andrea fühlte eine die Kehle zuschnürende Angst. Sie fühlte sich plötzlich verantwortlich für das, was passiert war. „Was, wenn ich geblieben und nicht nach München zurück wäre. Dann wäre Silke vielleicht noch am Leben. Ich hätte doch aufsie aufpassen können.“ Ihre Stimme kippte. Kein Wort über den Kuss.
„Ich glaube nicht, dass Sie es verhindern hätten können.“ Remo Bauer versuchte wieder, nur Kriminalist zu sein. Verdammt, die Frau befand sich im Augenblick in einem emotionalen Chaos und der Wein tat das Seine dazu, eine gefährliche Mischung.
Er erhob sich. „Ich muss jetzt …“
Andrea war zu ausgelaugt für eine Reaktion.
„Danke fürs Essen.“
Nachdem sie das Schloss zufallen gehört hatte, blieb sie einige Minuten am Fenster stehen, sah, wie er ohne zu ihr heraufzusehen den Innenhof überquerte und verschwand. Zurück blieb eine einsame, bleierne Ruhe. Sie zwang sich, normal zu atmen. Der Alkohol half.
11.
Mittwoch, 1. November
Obwohl das Geräusch nur gedämpft über den Hinterhof hallte, ließ der alarmierende Ton eines Folgetonhorns Andrea aus dem Schlaf hochschrecken.
„GHB.“
Diese drei Buchstaben drängten sich ihr unmittelbar auf.
Was die Droge in Silkes Körper anging, gab es für Andrea mehrere Ungereimtheiten. Sie kannte ihre Freundin und wusste, dass sie niemals in ihrem Leben zu Drogen gegriffen hätte. Oder glaubte sie bisher nur, sie gekannt zu haben? Vielleicht hatte sie ja wirklich früher schon Drogen genommen und ihr, Andrea, war es nicht aufgefallen. Vielleicht kam da ihre Sprunghaftigkeit her. Silke, die Künstlerin. Manchmal bestens gelaunt und in der nächsten Sekunde zu Tode betrübt.
Das
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