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Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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ein Seufzen, aber er hatte seiner Ungläubigkeit deutlich Ausdruck verliehen.
    McKeever spürte etwas von Rathbones Erregung.
    »Was für Umstände waren das, Sir Oliver?«, fragte er.
    »Ich bedaure es von Herzen, Mylord, aber mein Mandant ist tot.«
    Es folgte ein Augenblick absoluten Schweigens. Niemand rührte sich; nicht einmal ein Knarren der Holzdielen oder ein Rascheln der Damenröcke war zu hören. Dann brach ein Tumult aus. Eine Frau kreischte. Mehrere Leute sprangen auf, obwohl sie nirgendwohin konnten. Die Geschworenen sahen einander mit erschrockenen Augen an, außer Stande, die volle Bedeutung des Gehörten zu begreifen.
    »Ruhe!«, rief McKeever. Er sah sich im Raum um und ließ seinen Blick dann mit gerunzelter Stirn auf Rathbone ruhen.
    »Ruhe im Saal! Sir Oliver, wenn Sie uns bitte erklären würden , was vorgefallen ist. Hat Mr. Melville einen Unfall gehabt?«
    »Das lässt sich noch nicht sagen, Mylord.« Rathbone fiel es schwer, die richtigen Worte zu finden, obwohl er während des ganzen Wegs zum Gericht versucht hatte, war er außer Stande, seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen.
    Die Zeitungsreporter, die nur hergekommen waren, um das Urteil zu erfahren und vielleicht zuzusehen, wie das Leben eines Mannes zerstört wurde, überschlugen sich jetzt schier in ihrem Eifer, etwas völlig anderes niederzuschreiben.
    In der Galerie entfuhr einer Frau ein schriller Aufschrei, den sie mit der Hand zu unterdrücken versuchte.
    »Mr. Melville wurde gestern Nacht tot aufgefunden«, begann Rathbone von neuem. »Die Todesursache ist gegenwärtig noch nicht bekannt.«
    Das Stimmengewirr in der Galerie wurde lauter.
    »Ruhe!«, befahl McKeever mit vor Ärger gerötetem Gesicht. Er griff nach dem Hammer und schlug heftig auf das Pult. »Ich werde den Saal räumen lassen, wenn nicht sofort Ruhe und geziemender Respekt einkehren!«
    Die Zuschauer gehorchten widerstrebend, aber prompt.
    Rathbone warf einen Blick auf Sacheverall, um festzustellen, wie er reagieren würde, ob sein eigener Anteil an diesem Unglück in ebenso erschütterte wie Rathbone. Was er sah, war Überraschung, aber keine Verblüffung.
    Blitzartig wurde ihm bewusst, dass der Mann an diese Möglichkeit durchaus gedacht hatte. Wenn er Kummer oder Scham empfand, so wusste er es gut zu verbergen.
    Barton Lambert hingegen, der hinter ihm saß, wirkte vollkommen verstört. Sein breites, ziemlich gewöhnliches Gesicht war starr vor Entsetzen, der Mund stand offen, und die Augen starrten ins Leere. Er schien seine Umgebung kaum wahrzunehmen, nicht einmal Delphine neben ihm, die peinlich berührt und überrascht schien, aber keine Trauer empfand, die sie nicht mit Würde unter Kontrolle zu halten gewusst hätte. Sie hielt den Kopf hoch, hatte die Lippen fest geschlossen und blickte resolut geradeaus. Sie würde den Neugierigen auf der Galerie nicht die Befriedigung geben, ihre Blicke zu erwidern.
    Zillah, die auf der anderen Seite ihres Vaters saß, war in sich zusammengesunken und hatte die Hände vors Gesicht geschlagen. Ihr Hut saß schief, und ihr helles Haar leuchtete in dem Sonnenlicht, das durch die Fenster fiel. Sie hatte die Schultern hochgezogen. Ihr Körper bebte, aber es war noch kein Weinen, sondern der Ausdruck von Entsetzen und Fassungslosigkeit. Sie schien kaum Luft zu bekommen. Ihr Vater war noch immer zu betäubt und zu überwältigt von seinen eigenen Gefühlen, um ihr beizustehen oder Trost anbieten zu können.
    Sacheverall erhob sich nun und ging um seinen Tisch herum auf sie zu. Er beugte sich über sie, legte ihr die Hand auf die Schulter und sprach leise auf sie ein. Was er auch gesagt hatte, er musste es wiederholen; dann richtete sie sich langsam und mit aschfahlem Gesicht auf. In ihren Augen brannten Tränen.
    »Gehen Sie weg!«, sagte sie klar und deutlich.
    »Meine Liebe!«, begann Sacheverall drängend.
    »Wenn Sie mich noch einmal berühren, schlage ich Sie!«, zischte sie, und wenn er ihr auch nur für einen kurzen Moment ins Gesicht gesehen hätte, hätte er gewusst, dass sie es ernst meinte.
    Delphine beugte sich vor, sah allerdings eher Sacheverall an als Zillah.
    »Ich bin sicher, Sie meinen es nur gut, Mr. Sacheverall«, sagte sie mit einem Lächeln, dem jedoch jede Wärme fehlte , »aber vielleicht sollten Sie uns besser ein paar Minuten Zeit geben, damit wir unsere Bestürzung überwinden können. Es war eine sehr schlimme Zeit für uns alle, hauptsächlich aber für Zillah. Bitte berücksichtigen Sie das

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