Toedliche Traeume
vergessen, was er getan hat?«
»Das hat nichts mit Ego zu tun. Ich habe ihn eingehend studiert, ehe ich aus Garwood geflohen bin. Sanborne ist ein Psychopath.«
»Hat er denn gar kein Gewissen?«
»Nein, nicht mal das. Er hat überhaupt keine Gefühle, auch wenn er so tut, als hätte er welche. Er ist gerissen, er hat was übrig für schöne Dinge, und er genießt seine Macht, aber er hat nicht die geringste Vorstellung davon, was er anderen für Schmerzen zufügt und welchen Hass er in anderen hervorruft, weil er selbst so etwas nicht empfinden kann. Aber da er weiß, was es heißt, machthungrig zu sein, kann er wahrscheinlich gar nicht verstehen, warum du nicht alles, was er dir angetan hat, sofort vergisst, wenn er dir ein ausreichend hohes Angebot macht.« Er zuckte die Achseln. »Du bist die Ärztin. Du kennst wahrscheinlich die Fachausdrücke für so was.«
»Du hast das sehr anschaulich erklärt.« Was er gesagt hatte, leuchtete ihr ein. Sie war so von Hass und Schuldgefühlen erfüllt, so fixiert darauf, die Welt von REM-4 zu befreien, dass sie sich nie die Zeit genommen hatte, Sanbornes Verhalten zu analysieren. Aber wenn sie sich an ihre Begegnungen mit Sanborne erinnerte, wurde ihr klar, dass Royd recht hatte. »Und deswegen hat er auch keine Skrupel, REM-4 auf diese Weise einzusetzen.«
»Wahrscheinlich. Andererseits kann es natürlich auch sein, dass er einfach ein Schwein ist. Für mich spielt das keine Rolle. Ich habe versucht, ihn zu durchschauen, weil ich dann bessere Chancen habe, ihn zu vernichten. Es ist mir vollkommen egal, ob er krank im Kopf ist oder nicht, denn ich habe nicht vor, ihn zu heilen, ich will ihn töten.« Er schaute sie an. »Aber wieso macht er sich plötzlich wieder an dich ran? Du hast mir erzählt, dass er früher schon mal versucht hat, dir ein Angebot zu machen, aber nachdem du abgelehnt hattest, hat er dir seine Killer auf den Hals gehetzt. Und jetzt ruft er aus heiterem Himmel wieder an. Möglicherweise war das auch nur ein Versuch, unseren Aufenthaltsort zu ermitteln. Bist du dir ganz sicher, dass du ihn richtig verstanden hast?«
»Woher soll ich das wissen?« Aber eigentlich war sie sich ziemlich sicher. Und es musste einen Grund geben. »Gorshank.«
»Was?«
»Ich hab dir doch gesagt, dass die Gleichungen brillant sind, aber ich nicht verstehe, wie er zu einigen seiner Resultate gelangt ist.«
»Du hast gesagt, du brauchst Zeit, um dir das Material genauer anzusehen.«
»Aber angenommen, seine Formeln sind fehlerhaft? Angenommen, es gibt ein paar Riesenlücken?«
»Dann müsste Sanborne diese Lücken so schnell wie möglich stopfen. Und zwar mit Hilfe einer Wissenschaftlerin, die mit der ursprünglichen Formel vertraut ist.«
Sie nickte. »Das wäre für Sanborne und Boch im Moment wesentlich wichtiger, als mich zu töten. Es ist zwar nur eine Vermutung, aber die einzige, die einen Sinn –«
Ihr Handy klingelte. »Soll ich rangehen?«
»Wenn du dich ganz kurz fasst.«
Sie nahm das Gespräch an.
»Gorshank ist in Charlotte, North Carolina«, sagte MacDuff knapp. »Ivy Street 321.«
Sie drückte die Lautsprechertaste, damit Royd mithören konnte. »Wie haben die ihn gefunden?«
»Er hat eine große Summe auf ein russisches Bankkonto überwiesen, um seine Schulden bei der Mafia zu begleichen. Jock und ich nehmen am Kennedy Airport eine Maschine nach Charlotte.«
»Wann werden Sie dort sein?«
»In sieben Stunden.«
Royd schüttelte den Kopf. »Falls Gorshank auf dem Schleudersitz hockt, könnte das zu spät sein. Vielleicht können wir es schneller schaffen. Wir melden uns wieder, sobald wir Kontakt aufgenommen haben.« Sophie schaltete das Handy ab, ehe MacDuff darauf antworten konnte. »Wir fahren nach Daytona und fliegen von dort nach Charlotte«, sagte Royd.
»Was hast du denn mit Schleudersitz gemeint?«
»Falls Sanborne annimmt, dass Gorshank Mist baut, hat er keine Verwendung mehr für ihn.«
»Dann stellt Gorshank für ihn nur noch eine Belastung dar – und eine Gefahr.« Sophie führte den Gedanken noch weiter. »Genau wie all die anderen mit dem Projekt befassten Wissenschaftler, die er gefeuert hat und anschließend vermutlich umlegen lassen.« Sie schaute Royd an. »Vielleicht ist es schon zu spät.«
Royd nickte. »Wir können nur hoffen, dass Sanborne Gorshank am Leben lässt, bis er eine Möglichkeit findet, dich in die Finger zu kriegen. Er muss ihm einiges zugetraut haben, sonst hätte er ihn nicht angeheuert.«
Sie
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