Toedliche Traeume
ist, dass sie es an ausländische Kunden verkaufen können. Aber dazu brauchen sie einen Standort, der sich nicht auf amerikanischem Boden befindet, sondern an einem Ort, wo sie frei operieren können und ihre Kunden keine ständige Überwachung befürchten müssen.«
»Er will also nach Übersee?«
»Das vermutet Kelly jedenfalls. Entweder nach Übersee oder auf eine Insel in Küstennähe. Auf dem internationalen Markt winkt das große Geld.« Er verzog das Gesicht. »Und deshalb diese Nacht- und Nebelaktion. Er will auf keinen Fall Staub aufwirbeln, sondern hofft, dass alles, was Sie dem FBI erzählt haben, in Vergessenheit gerät – und Sie gleich mit.«
»Aber mich aufzuknüpfen würde doch das Gegenteil bewirken.« Andererseits vielleicht auch nicht, dachte sie, nämlich dann nicht, wenn man ihren Tod für einen Selbstmord hielt. »Wo in Übersee will er sich denn niederlassen?«
Royd schüttelte den Kopf. »Das konnte Kelly nicht in Erfahrung bringen. Er weiß nur, dass die Lastwagen von der Anlage aus direkt zu einem Hafen außerhalb von Baltimore fahren.«
Sophies Hände krallten sich ins Laken. »Das müssen wir unbedingt rausfinden.«
»Genau das ist meine Absicht. Deswegen bin ich hier.«
»Sie dachten, ich könnte es wissen.«
»Ich hatte es zumindest gehofft. Aber ich bin nicht vergebens gekommen, Sie können mir trotz allem von Nutzen sein.«
»Wie bitte?«
»Wollen Sie das etwa nicht? Sie sind überwältigt von Schuldgefühlen und suchen nach einer Möglichkeit, Wiedergutmachung zu leisten. Nun, wenn ich mich Ihrer bedienen kann, dann bekommen Sie, was Sie wollen.«
»Ihre Ausdrucksweise gefällt mir nicht.«
»Ich nenne die Dinge beim Namen. Ich werde Sie benutzen, wo immer ich kann. Womöglich auch auf eine Weise, die Jock nicht billigen würde.«
»Auf welche zum Beispiel?«
»Sanborne hat seine Hunde aus einem ganz bestimmten Grund auf Sie losgelassen.«
»Sie haben mir doch eben gesagt, er will nicht, dass irgendjemand beim FBI mir Glauben schenkt.«
»Aber er will auch nicht, dass seine ausländischen Kunden auf Sie aufmerksam werden. Sie sind die Einzige, die die ursprüngliche Formel für REM-4 kennt. Solange Sie leben, hätte er kein exklusives Produkt anzubieten.«
Ihre Augen weiteten sich. »Er kann doch unmöglich annehmen, dass ich versuchen würde, die Formel zu verkaufen. Ich bekämpfe ihn immerhin schon seit Jahren.«
»Sanborne und Boch glauben an die unwiderstehliche Macht der Korruption. Alles in Garwood basierte auf dieser Prämisse. Die gehen davon aus, dass Sie irgendwann nachgeben, wenn der Preis stimmt. Die von Ihnen ausgehende Bedrohung, dass Sie es sich doch anders überlegen könnten, ist zu groß für sie. Außerdem sagten Sie selbst, dass Sie an einer Formel für ein effektiveres REM-4 gearbeitet haben. Und die Ergebnisse Ihrer Forschungsarbeit würden Boch und Sanborne nur allzu gern in die Finger kriegen. Das bedeutet, dass Sie von jetzt an ganz oben auf deren Abschussliste stehen.«
»Und?«
»Das ist gut für mich«, antwortete er knapp. »Wenn die Sie unbedingt haben wollen, dann werden sie Ihnen nachstellen. Vielleicht machen sie dabei Fehler. Vielleicht schicken sie jemanden, der über Informationen verfügt, die mir von Nutzen sein können.« Er sah ihr direkt in die Augen. »Oder ich könnte Sie als Köder benutzen.«
»Und Sie glauben im Ernst, das würde ich zulassen?«
»Ja, das glaube ich, denn ich fange an, Sie zu durchschauen. Sie würden fast alles mit sich machen lassen, wenn Sie damit für Ihre Sünden büßen können.«
»Ich bin doch keine Närrin.«
»Sie würden es tun. Nicht wahr?«
Sie antwortete mit einer Gegenfrage: »Warum sind Sie sich da so sicher?«
»Weil wir beide uns ähnlicher sind, als Sie glauben. Ich würde mich kreuzigen lassen, wenn ich damit die Zeit zurückdrehen könnte.«
Er hatte die Worte ganz ruhig ausgesprochen, aber sein Gesichtsausdruck verriet seine Leidenschaft. »Warum?«
»Ich hatte die Wahl und habe die falsche Entscheidung getroffen. Genau wie Sie.«
Sie hätte ihn am liebsten gefragt, welche Entscheidung das gewesen war, doch sie wollte keine Vertrautheit zwischen ihnen entstehen lassen. Ebenso wenig wie sie einem Tiger gegenüber zutraulich geworden wäre.
Nicht zum ersten Mal war ihr diese Ähnlichkeit in den Sinn gekommen. Als sie ihn ansah, wie er dasaß, groß, mächtig, bereit, jeden Augenblick zum Angriff überzugehen, fiel es ihr wieder ein.
Tiger, Tiger, Feuerpracht, in den
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