Tödliche Unschuld
bla.«
Schniefend wischte sie sich die Nase mit dem Handrücken ab. »Du willst, dass ich gehe, weil du nicht gehen kannst, damit ich ohne dich als Klotz am Bein ein erfülltes Leben führen kann. Aber das kannst du vergessen, denn ich werde ganz bestimmt nicht gehen.
Auch wenn du es geschafft hast, mich bereits dadurch echt in Weißglut zu bringen, dass du dir anscheinend eingebildet hast, ich würde es womöglich tun.«
»Sicher.« Seufzend zog er seine Hand zurück. »Es ist mir klar, dass du nicht so einfach gehen würdest. Du bist nämlich ein grundanständiger Mensch und würdest mich nicht verlassen, solange ich … solange ich in einem solchen Zustand bin. Selbst wenn sich deine Gefühle für mich ändern würden, würdest du weiter bei mir bleiben. Denn, wie gesagt, du bist grundanständig, und ein grundanständiger Mensch verhält sich nun mal so.
Doch nach einer Weile würde keiner von uns beiden noch sicher sagen können, ob du bei mir bist, weil du es willst oder weil es dein Pflichtgefühl von dir verlangt.«
Sie runzelte die Stirn und starrte statt in seine ernsten grünen Augen reglos auf die Wand. »Das höre ich mir nicht länger an.«
»O doch.« Er lehnte sich zurück und umklammerte mit der gesunden Hand die Lehne seines Stuhls. »Ich will keine Krankenschwester haben und du willst keine sein. Um Himmels willen, ich könnte nicht einmal alleine pinkeln, hätten nicht Roarke und Dallas diesen verdammten Rollstuhl für mich besorgt. Außerdem lässt sie mich weiterarbeiten, obwohl sie das nicht müsste. Das vergesse ich ihr nie.«
»Du bemitleidest dich maßlos.«
»Und ob.« Beinahe hätte er gelächelt. »Aber wenn du selbst zu einem Viertel tot wärst, würdest du erkennen, wie rasant man dann im Selbstmitleid versinkt. Ich bin total wütend, und ich habe eine Heidenangst, weil ich keine Ahnung habe, wie es weitergehen wird. Wenn ich so weiterleben muss wie jetzt, kann ich es nicht ändern.«
Er würde jetzt nicht jammern, sagte er sich streng. Er würde sich zusammenreißen.
»Aber dann habe ich auf jeden Fall das Recht, die Regeln selber zu bestimmen. Und eine dieser Regeln ist, dass ich dich nicht in meiner Nähe haben will.«
»Es ist noch gar nicht sicher, dass du so weiterleben musst.« Die Tränen brannten ihr in der Kehle. »Wenn das Gefühl auch in den nächsten Tagen nicht eigenständig zurückkehrt, bekommst du einen Platz in dieser Klinik, wo man dir möglicherweise helfen kann.«
»Das stimmt. Auch wenn ich das Roarke und Dallas nie zurückbezahlen können werde, fliege ich dorthin. Möglicherweise habe ich ja Glück, und sie können wirklich etwas für mich tun.«
»Sie haben eine Erfolgsquote von gut siebzig Prozent.«
»Was heißt, dass die Behandlung in dreißig Prozent der Fälle nicht erfolgreich ist. Ich bin Computerfachmann, Baby, ich kenne mich mit Zahlen aus. Aber um auf mein eigentliches Thema zurückzukommen: Ich muss mich erst mal eine Zeit lang auf mich selber konzentrieren. Ich habe jetzt nicht die Energie, um darüber nachzudenken, ob es mit uns beiden auf Dauer klappen könnte oder nicht.«
»Und deshalb brechen wir die ganze Sache einfach ab? Ich hätte nicht gedacht, dass du ein solcher Feigling bist.«
»Gottverdammt! Gottverdammt, kannst du nicht begreifen, dass ich mich so verhalten muss? Dass ich mich deinetwegen so verhalten muss?«
»Anscheinend nicht.« Sie reckte kampfbereit das Kinn. »Und jetzt werde ich dir mal was sagen. Auch ich habe keine Ahnung, ob es mit uns beiden auf Dauer klappen wird.
Im Grunde kann ich nicht mal sagen, was mir überhaupt an dir gefällt. Du bist nervtötend und schlampig, du bist klapperdürr, und das Bild von Delias Traummann hat früher eindeutig anders ausgesehen. Aber irgendetwas zieht mich nun mal zu dir hin, und deshalb bin ich hier. Wenn ich keine Lust mehr habe, ist es früh genug für mich zu gehen. Bis dahin halt schlicht die Klappe, denn statt mir diesen Blödsinn weiter anzuhören, gehe ich jetzt wieder ins Bett.«
»Ich schätze, Roarke entspricht schon eher dem Bild von Delias Traummann«, knurrte er erbost.
»Allerdings.« Sie schwang ihre Beine zurück auf die Matratze und klopfte ihre Kissen auf. »Er ist geschmeidig, sexy, attraktiv, reich und obendrein gefährlich. All das warst du weder vor dem Unfall noch bist du es jetzt - noch kannst du nur ansatzweise darauf hoffen, dass du es jemals wirst. Und jetzt drapier deinen jämmerlichen Hintern selbst zurück ins Bett. Ich bin nämlich nicht
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