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Toedliche Wut

Toedliche Wut

Titel: Toedliche Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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Dochtes in der Lampe und das Ticken der Uhr im Regal die einzigen Laute im Raum. Dann hebt Levi den Kopf und sieht mich an. »Sie hat Umgang mit Englischen gehabt.«
    Edna sieht ihn ruckartig an. »Levi …«
    »Kennen Sie ihre Namen?«, frage ich schnell.
    »Nein.«
    »Hat sie einen festen Freund?«
    Den Blick, den sich das amische Ehepaar jetzt zuwirft, kenne ich nur zu gut. Und auch seine Bedeutung. Es ist der gleiche Blick, den ich in den Augen meiner Eltern gesehen habe. Scham. Das Bedürfnis, die Sünden des Kindes totzuschweigen. Ich weiß das, denn ich war auch einmal so ein sündiges Kind. Und das ist genau die Frage, die sie nicht hören wollten, denn die Antwort ist ihnen äußerst unangenehm. Weil sie eine Realität manifestiert, die sie nicht wahrhaben wollen, weder sich selbst noch Außenstehenden gegenüber. Das ist allerdings auch der Grund, warum wir in dieses amische Haus gebeten wurden.
    Levi presst die Lippen zusammen, als wolle er die Worte nicht hinauslassen, die ihn so bedrücken. »Wir glauben, dass ein englischer Junge ihr den Hof gemacht hat.«
    »Hat Annie Ihnen das erzählt?«
    Der amische Mann schüttelt den Kopf. »Dan Beiler hat sie zusammen in der Stadt gesehen.«
    »Kennen Sie den Namen des Jungen?«
    »Nein.« Er sieht überall hin, nur nicht mir in die Augen. »Er hat ein Auto. Sie verschwindet manchmal, ohne uns dann zu sagen, wo sie war.«
    »Wissen Sie, was für ein Auto das ist?«
    »Wir wissen das nicht«, sagt er.
    »Sie spricht nicht mit uns über ihn«, bricht es aus Edna heraus.
    »Wir haben ihr verboten, mit den Englischen zu reden«, sagt Levi. »Aber sie hört nicht auf uns.«
    »Unsere Annie meint zu wissen, was sie will.« Ednas Stimme bricht. »Und wenn sie etwas will, kann sie niemand davon abbringen.«
    »Aber ihr Glaube ist stark«, fügt Levi hinzu. »Sie liebt ihre Familie. Sie ist freundlich und gottesfürchtig.«
    Doch auch Gläubige müssen manchmal mit dem Teufel kämpfen.
    Ich stehe auf. »Mr und Mrs King, ich danke Ihnen. Sie haben uns sehr geholfen.« Ich schüttele beiden die Hand. »Wir werden alles tun, um Ihre Tochter zu finden.«
    Auch Tomasetti und Goddard verabschieden sich. Auf dem Weg zur Tür setze ich in Gedanken noch Amy Stutz auf die Liste der Informationsquellen. Doch es ist Annies Freund, auf den ich wirklich gespannt bin. Denn wenn eine Frau vermisst wird, ist der Hauptverdächtige immer der Mann, der behauptet, sie zu lieben. Das weiß jeder Polizist, der sein Geld wert ist.
    * * *
    Zehn Minuten später stehen Goddard, Tomasetti und ich auf der vorderen Veranda des Hauses der Familie Stutz. Goddard hat schon zweimal geklopft, doch niemand macht auf. »Wir haben Pech«, sagt Goddard und stößt einen Seufzer aus.
    Tomasetti späht durchs Fenster, als lauere vielleicht jemand hinter den Gardinen. »Ich hab immer gedacht, die Amischen verbringen den Abend zu Hause«, knurrt er. »Gehen früh ins Bett und so.«
    Goddard sieht mich an, die Amisch-Expertin vor Ort. »Irgendeine Idee, wo sie sein könnten?«
    »Vielleicht besuchen sie Nachbarn.« Ich blicke mich um, bemerke die langen Schatten des späten Nachmittags.
    »Wir könnten warten«, schlägt Goddard vor. »Vielleicht kommen sie ja bald zurück.«
    »Wir brauchen den Namen des Freundes«, sagt Tomasetti.
    Ich trete ans Verandageländer und blicke zur Weide, wo acht Jersey-Rinder und zwei junge Pferde sich am saftigen Gras laben. Über den niedriger liegenden Feldern schwebt ein dünner Nebelschleier. Vogelgezwitscher und das Zirpen von Grillen vermischen sich mit der Kakophonie der Ochsenfrösche vom nahen Teich, wo Rohrkolben in Fülle stehen. Wie oft habe ich in meiner Jugend nachts bei offenem Fenster im Bett gelegen und genau diesen Klängen gelauscht? Wie oft habe ich mich gefragt, wie wohl die Welt jenseits der Grenzen unserer Farm aussieht? Ich spüre, wie die Erinnerungen an die Tür klopfen, doch ich lasse sie nicht herein.
    Goddard räuspert sich. »Wir gehen kurz was essen und kommen dann zurück.«
    »Gute Idee«, sagt Tomasetti.
    Kurz darauf sitzen wir wieder im Tahoe und folgen Goddard in einer Wolke aus weißem Staub die unbefestigte Straße entlang.
    Eine Frage geht mir nicht aus dem Kopf. »Wenn Annie wirklich einen festen Freund hat und er weiß, dass sie vermisst wird, warum hat er sich dann noch nicht bei uns gemeldet?«
    »Vielleicht hat er Dreck am Stecken.«
    »Oder sie ist bei ihm.«
    »Das halte ich bei dem vielen Blut am Tatort für extrem

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