Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
Haben Sie eine Ahnung wieso und wohin?«
»Mehr weiß ich nicht.«
»Können Sie ihn beschreiben?«
»Groß, dunkelhaarig, was soll ich schon sagen?«, seufzte Helene Markov. »Ich stand völlig neben mir, weiß der Geier, was mich da geritten hat.« Sie räusperte sich kurz und rieb sich mit dem Handrücken die Augenwinkel trocken.
»Versuchen Sie bitte trotzdem, sich zu erinnern«, forderte Julia sie ruhig auf.
»Es war ein Durchschnittstyp, mittleres Alter, dunkle Augen, nichts Auffälliges.«
»Hatte er einen Akzent oder sprach er Dialekt?«
»Nein, ich glaube nicht.«
»War er eher sportlich oder vielleicht etwas kräftiger?«
»Weder noch, wenn Sie so fragen. Er war ja auch dick angezogen.«
»Und seine Gesichtshaut, vielleicht ein Teint?«
»Normal. Kein Solarium, falls es darum geht. Aber egal, was Sie mich noch fragen, es ist ein Ratespiel«, beharrte Frau Markov.
»Wir müssen das aber nun mal so genau wie möglich wissen«, entgegnete Julia. »Bei allem Verständnis für Ihren Groll gegenüber Karl von Eisner, aber wenn er von diesem Unbekannten ermordet wurde, möchten wir uns mit diesem Mann unterhalten und ihn der Justiz zuführen.«
»Und von Eisner?«, heulte die Markov auf. »Wo war die Justiz denn, als er mein Mädchen umbrachte?«
»Bitte, Frau Markov«, versuchte es Sabine mit leisen Worten und griff nach ihren Händen, die ineinander verkrampft auf der Tischplatte ruhten. »Wir waren nur haarscharf von einer Verhaftung entfernt, als sich dieser Vorfall ereignete. Das Netz zog sich immer weiter zu.«
»Ja, wunderbar«, kam es trotzig. »Luxuriöse Unterbringung, Essen à la carte und nach ein paar Jahren offener Vollzug. Ein tolles System, unsere Justiz, vor allem für Leute wie ihn, falls es überhaupt so weit gekommen wäre. Lara hat ab und zu von ihren Kunden erzählt, auch wenn ich es nicht hören wollte. Wenn ich mich nicht irre, steht diesem Schwein ständig eine startbereite Cessna zur Verfügung. Seine Kohle liegt in irgendeiner Oase, der hätte sich einfach aus dem Staub gemacht, wäre ja nicht der Erste.«
»Das wird nun nicht mehr geschehen«, ergriff Julia wieder das Wort. »Ich kann und darf es nicht gutheißen, aber jemand hat das für Sie in die Hand genommen, und Karl von Eisner ist tot. Genau betrachtet sind aber auch Sie mit vorsätzlicher Tötungsabsicht in das Gebäude gegangen – inwiefern das vor Gericht als Affekthandlung gewertet würde, darüber möchte ich nicht spekulieren.«
»Prima, hier, mein Leben ist ohnehin nichts mehr wert«, erwiderte Helene Markov zynisch und streckte die Handgelenke in Richtung der Kommissarin. »Nehmen Sie mich gleich mit?«
»Darauf wollte ich nicht hinaus«, widersprach Julia. »Helfen Sie uns, den Unbekannten zu identifizieren, und ich sehe zu, dass Ihnen eine Anklage erspart bleibt. Allerdings unter der Bedingung, dass Sie darüber mit einem Ihrer Therapeuten sprechen. Niemand sollte mit einer solchen Bürde alleine dastehen, und Sie haben immerhin die Chance, hier jederzeit auf ein entsprechendes Angebot zugreifen zu können.«
»Ein Kuhhandel also?«, kam es mit leicht zynischem Unterton von Helene Markov.
»Wenn Sie das so nennen möchten«, lächelte Sabine, »aber für uns alle wäre es eine Win-win-Situation. Nirgendwo ist Ihnen im Moment besser geholfen als hier, und niemand kann uns derzeit mehr helfen als Sie. Überlegen Sie es sich, wir schicken Ihnen einen Zeichner vorbei, der ein Phantombild erstellt, wie vage es auch sein mag. Die Erfahrung zeigt, dass hierdurch manche verschüttete Erinnerung freigelegt werden kann. Probieren Sie es aus, und vielleicht erinnern Sie sich auch noch, ob der Fremde etwas in von Eisners Büro angefasst hat. Das wäre ein Volltreffer. Fingerabdrücke und Phantombild, wow.«
Sabine strahlte Helene Markov förmlich an, und Julia beobachtete sie beeindruckt. War es die Erfahrung mit ihrer psychisch kranken Mutter, die ihre Kollegin so einfühlsam, aber zugleich auch so unbeirrt mit Laras Mutter sprechen ließ? Tatsächlich schien die Markov klein beizugeben.
»Müssen wir das hier machen?«, fragte sie leise.
»Nein, natürlich nicht«, sagte Sabine. »Sie können auch gerne aufs Präsidium kommen. Wenn Sie möchten, nehmen wir Sie auch gleich mit, oder, Julia, was meinst du?«
»Äh, klar«, erwiderte diese überrascht. »Das ist kein Problem. Am Transport soll es nicht scheitern. Dürfen Sie die Klinik denn ohne weiteres verlassen?«
»Natürlich, ich bin schließlich
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