Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
etwas. In den Wochen vor ihrer Abreise nach München war das Thema Winterspeck in aller Munde gewesen, bei Kullmer ging es darum, dass er ›mit schwanger‹ war, und selbst die nahezu perfekt gebaute Sabine fand an ihrem Körper angebliche Fettpölsterchen. Irgendjemand hatte dann die blöde Idee gehabt, auf eine BMI-Quote zu wetten. Stichtag sollte Frühjahrsbeginn sein, dann wollte man sehen, wer seinem selbstgesetzten Ziel am nächsten gekommen war. Unsäglicher Quatsch, so in etwa war Julias Standpunkt dazu, auch wenn sie sich die wahren Gründe dafür nicht so recht eingestehen wollte. Ihr Gewicht mochte zwar durchaus im Rahmen sein, doch der bewegungsärmere Winter und ihr fester Entschluss, das Rauchen aufzugeben, harmonierten überhaupt nicht mit einem solchen Wettbewerb.
»Ist mir scheißegal, eure Wette, ich brauche jetzt was Herzhaftes, und zwar schnell«, erwiderte sie entschlossen.
Dienstag, 12.30 Uhr
K arl von Eisner ging ohne Umweg auf den im Regal verborgenen Spirituosenschrank zu, zog den Kristallglasdeckel aus einer Karaffe, die etwa zur Hälfte mit goldbraunem Whiskey gefüllt war, und goss sich ein Glas ein. Halbvoll, nein, randvoll, entschied er rasch. Er würde einige Gläser brauchen, um das Blitzlichtgewitter zu verdauen, in das er völlig unerwartet geraten war.
»Wer hat die verdammte Presse aufgehetzt?«, hatte er empört gepoltert, als sie endlich den Fahrstuhl erreicht hatten.
»Das war doch abzusehen«, hatte Manduschek bloß erwidert. »Irgendwann kommen die von selbst drauf. Man kann einen solchen Fall nicht geheim halten, zumal nach der Kleinen ja zwecks Identifizierung öffentlich gefahndet wurde. Ich wundere mich eher, warum sie nicht schon gestern auf der Matte standen.«
Von Eisner winkte nur verächtlich ab. Kein Wort werde ich denen sagen, hatte er grimmig entschieden, und sollte einer dieser Schmierfinken es auch nur annähernd in Richtung seines Büros schaffen, würden bei der Security Köpfe rollen.
»Als wenn diese Zicke Durant nicht schon lästig genug wäre. Wahrscheinlich jagt sie uns die Reporter auf den Hals, weil sie selbst nicht zum Zug kommen kann.« Ein bissiges Lächeln umspielte seine Mundwinkel bei dem Gedanken, dass er nahezu unbehelligt aus dem Präsidium stolziert war.
»Lass die nur ihren Job machen«, sagte Lars Manduschek zum wiederholten Mal, doch damit wollte sich der Direktor nicht zufriedengeben.
»Du hast leicht reden«, fuhr Karl seinen Anwalt an. Mit einem Mal war es um seine Selbstbeherrschung geschehen. »Es geht hier immerhin um Mord! Was glaubst du, wie lange die mir noch die arrogante Selbstsicherheit abnehmen? Ich habe mich so dermaßen zusammenreißen müssen vorhin, das glaubt mir keiner! Lars«, er kippte einen so großen Schluck, dass das Glas plötzlich weniger als halbvoll war, »ich habe eine saumäßige Angst.« Schweißperlen hatten sich auf von Eisners Stirn gebildet, und er klammerte sich so fest an die Lehne seines Sessels, dass sich seine Fingerkuppen schmerzhaft in das Leder bohrten.
»Ich kann das gut verstehen. Aber wenn du es weder dir selbst noch mir erklären kannst oder willst, wie dein Saft in die kleine Schlampe kam, bleibt das eben offen. Ich kann damit leben, glaub mir.«
»Wenn darauf deine Verteidigung basiert, dann gute Nacht«, erwiderte Karl. »Dafür brauche ich keine Kanzlei zu engagieren.«
»Es geht ja nicht nur darum. Mit dem Handy hängt dir jemand was an. Das ist leicht darzustellen, und eine SMS tippen kann schließlich jeder, dazu braucht man nicht einmal das Absendehandy, ein Computer und ein paar Grundkenntnisse tun’s auch. Der Ablageort der Leiche ist der nächste Punkt. Warum solltest du die Kleine ausgerechnet in deinem Hinterhof plazieren? Das ist völlig widersinnig und bringt uns eine Menge Punkte ein. Das wiegt viel mehr als der Fakt, dass du sie tatsächlich gevögelt hast.«
»Was ja niemand weiß«, beteuerte Karl.
»Noch nicht«, gab Manduschek zurück. »Oder hast du die Wohnung vergessen?«
»Verdammt, nein.« Die unscheinbare Wohnung in dem Reihenhaus lief über die Eisner Group, und es war nur eine Frage der Zeit, bis die Polizei sie mit Karl in Verbindung bringen würde. Dort würde man allerhand Spuren finden. Spuren aus zwei langen Jahren, in denen das Appartement neben seiner regulären Verwendung als Geschäftswohnung auch drei bis vier Dutzend höchst befriedigender Meetings mit Lara Emmels erlebt hatte.
»Wenn sie nicht längst da sind, wird es nicht mehr lange
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