Tödlicher Applaus
Signal des Suchers zu verpassen. Hinter ihm hupten ungeduldige Autofahrer und blinkten ihn an. Er schloss sie aus seinem Bewusstsein aus, behielt die langsame Geschwindigkeit bei und hoffte inständig, der Sucher würde anfangen zu blinken. Da klingelte sein Handy. Maria Kamarov. Widerwillig nahm er das Gespräch an. Er befürchtete, dass die Strahlung den Sucher stören könnte.
»Maria hier.«
»Es ist gerade ungünstig, Maria.«
»Ich wollte dir auch nur erzählen, dass Papa mir erlaubt hat, die Rolle zu singen! Wie hast du es nur geschafft, ihn zu überreden? Du bist einfach fantastisch!«
»Jetzt machst du mich wirklich glücklich, Maria. Das sind ja tolle Nachrichten!« Marias Worte riefen einen wahren Adrenalinstoß hervor. Ihm schoss das Blut ins Gehirn, und er bekam heiße Schläfen. Das war die ultimative Gelegenheit, seinem Werk die Krone aufzusetzen – vorausgesetzt, es gelang ihm, die Katastrophe zu verhindern, die sich gerade anbahnte. Er warf einen Blick auf den Sucher. Noch immer nichts. Er war am Rathaus vorbeigefahren und auf dem Weg zum Schottentor. »Du bist fantastisch, und es muss fantastisch sein, eine Tochter wie dich zu haben, Maria. Du hast wirklich Mut.«
»Du hast mich inspiriert, das zu tun. Ich hoffe, Papa weiß, was er an dir hat.«
»Das wird er früher oder später sicher merken.«
»Du bist süß. Ich kann dich gut leiden.«
»Ich dich auch. Aber jetzt muss ich auflegen.«
Spürte er den Hauch eines schlechten Gewissens? Er schob die Empfindung beiseite, indem er sich auf die Bilder konzentrierte, die nach dem Gespräch mit Maria in seinem Kopf auftauchten. Er würde Kamarov zermalmen, und dessen eigene Tochter würde ihm dabei helfen!
Rudi schaute wieder auf den Sucher. Kein Ausschlag. Möglicherweise hatte das Telefonat den Empfang gestört. Er würde die Runde sicherheitshalber noch einmal fahren. Als er die Wiener Staatsoper zum zweiten Mal passierte, nahm er sich die Zeit, das Auto davor abzustellen und sich einem kurzen Traum hinzugeben. Er träumte von all dem Leid, das er jenen zufügen wollte, die ihm und seinem Bruder Schmerzen bereitet hatten. Ihr entscheidender Schlag würde in diesem Gebäude stattfinden. Und sie würden als Sieger hervorgehen.
Er fuhr langsam weiter. Zuerst glaubte er, sein Gehirn spiele ihm einen Streich, als er aus dem Augenwinkel ein schwaches Aufblinken des Suchers wahrnahm. Bis zum nächsten Blinken dauerte es eine Weile, dafür war es aber etwas stärker. Rudi ging noch weiter herunter mit dem Tempo und wäre um ein Haar mit einem Radfahrer kollidiert. Das Blinksignal des Suchers wurde schwächer. Er musste umdrehen und zurückfahren.
Er machte einen scharfen U-Turn. Als er rechts vom Ring abfuhr, wurde das Blinken deutlicher und zunehmend stärker. Rudi musste mehrmals wenden und hin und her fahren, bis das Signal ihn in eine kurze Einbahnstraße führte. Das Blinken war in ein permanentes Leuchten übergegangen. Jetzt befand der Laptop sich in einem Radius von fünfundzwanzig Metern.
Nr. 7 stand auf dem Gebäude, vor dem er angehalten hatte.
Werner Diepold
Kamarov schloss die solide Teakholztür zu seinem Büro. Der Polizeipräsident von Wien, Werner Diepold, hatte in einem der schwarzen Le-Corbusier-Sessel Platz genommen. Kamarovs Büro war schallisoliert, und als die schwere Tür ins Schloss fiel, entstand eine beruhigende Distanz zu der Welt draußen.
Kamarov betrachtete seinen alten Freund. Sie hatten sich in einer der vielen Bars kennengelernt, die Kamarov aufgesucht hatte, um sein Kontaktnetz zu knüpfen. Damals waren sie beide jung gewesen, die Zukunft hatte noch vor ihnen gelegen. Jetzt waren sie grau gewordene Kämpfer – Kämpfer, die Gefahr liefen, aus dem Feld geschlagen zu werden.
»Wie geht es deiner Frau?« Kamarovs Stimme klang leicht und unbeschwert.
Das verwirrte den Polizeipräsidenten für einen Augenblick. Er hatte eine ganz andere Eröffnung von Kamarovs Seite erwartet. »Danke, es geht ihr ausgezeichnet!«
»Ist sie glücklich in eurem neuen Haus in Grinzing?«
»Sehr.« Der Polizeipräsident atmete tief ein und schaute in das Whiskeyglas, das Kamarov ihm in die Hand gedrückt hatte. Er drehte das Glas langsam in der Hand. Werner Diepold war mittelgroß und stämmig, doch seine Korpulenz strahlte Vitalität aus. Das Haar war grau und kurz geschnitten, mit der Andeutung einer Glatze. Er war Mitte fünfzig und galt als unbestechlich.
»Und der Jaguar?«
»Victor, du wirst mich kaum zu dir
Weitere Kostenlose Bücher