Tödlicher Applaus
wurde.
Und Victor bezahlte großzügig. Er finanzierte Werner einen einjährigen Studienaufenthalt in Yale, weshalb Diepold zügig die Karriereleiter emporkletterte. Je höher die Positionen waren, die er bekleidete, desto anspruchsvoller wurden Victors Aufträge.
Eines Abends – Victor hatte eine Luxushütte in Tirol gemietet, um mit Werner dessen Ernennung zum Vizepolizeipräsidenten zu feiern – hatte er Diepold eine strahlende gemeinsame Zukunft in Aussicht gestellt. Der Plan war ebenso einfach wie bestechend gewesen: »Meine Sänger bekommen ihr Honorar cash auf die Hand, in der Pause. Das ist vertraglich festgelegt. Bleibt die Gage aus, sind sie nicht verpflichtet, den zweiten Akt zu singen.«
Anfangs hatte Werner nicht ganz verstanden, worauf Victor hinauswollte. Bis Victor ihm den Rest seines Planes erklärt hatte: »Ich verwalte das Geld der meisten meiner Sänger. Das heißt, über meine Konten fließt eine Stange Geld. Und tagtäglich führen eine Reihe von Sängern Geld in bar oder in Scheckform nach Österreich ein.«
Victors Gesicht war von einem ganz besonderen Leuchten erhellt, als er sein Konzept darlegte. Er konnte inzwischen auf einen internationalen Sängerstab in Amerika, Japan, Australien und Skandinavien zurückgreifen. Und dann begriff Werner die Größe von Victors Idee. Das war die perfekte Grundlage für Geldwäsche. Solange der Cashflow von Kamarovs Sängern stark genug war, konnte man unmöglich zurückverfolgen, welche Gelder woher kamen. Ganz davon abgesehen, dass das niemanden interessieren würde. Solange die eingeführten Gelder ordentlich versteuert wurden, würde niemand Fragen zu den Valutatransaktionen mit einer großen internationalen Agentur wie Kamarov Management stellen.
»Denk darüber nach. Die Welt kann dir gehören!« Victors Stimme war beherrscht, aber seine Worte glitzerten förmlich.
»Und welche Rolle spiele ich dabei?«
»Du musst einfach nur den Mund halten und Augen und Ohren offen halten. Und dafür sorgen, dass ich immer eine Pferdelänge vorne liege, falls es riskant wird.«
Die Welt kann dir gehören . Victor wusste, dass er Diepold damit gewonnen hatte. Er hätte niemals das Rückgrat, einer solchen Verlockung zu widerstehen. Die Welt kann dir gehören. Zum Polizeigehalt . Victors überbordende Energie und sein Wille walzten den letzten Rest eines Widerstandes in Diepold nieder.
An diesem Abend hatte Werner Diepold seine Seele an Victor Kamarov verkauft.
Als er im Polizeipräsidium eintraf, erwartete sein Stab ihn bereits im Sitzungszimmer. Trotzdem nahm Werner Diepold sich noch die Zeit, seine Polizeiuniform anzuziehen und sich die Zähne wegen der Whiskeyfahne zu putzen. Er betrat den Sitzungsraum in vollem Ornat. Die Mitteilung an den Stab war einfach: »Die Situation hat sich zugespitzt. Alle Ressourcen werden mobilisiert, um Tom Hartmann zu finden. Halten Sie mich kontinuierlich auf dem Laufenden.«
Im Würgegriff
Victor Kamarov fuhr seinen BMW X6 in die Tiefgarage am Wiener Südbahnhof. Er fand einen freien Platz und stellte den Wagen ab. Dann holte er sein Handy heraus und beschrieb den Standplatz des Wagens in einer SMS. Er versuchte sich, so gut es ging, auf das Gespräch einzustellen, das vor ihm lag.
Der unauffällige Mann, der auf Kamarovs X6 zuging, trug eine blaue Trachtenjacke mit Hirschhornknöpfen. Er war Anfang sechzig, aber seine Bewegungen waren schnell und kraftvoll, lediglich die Farbe seiner Haut verriet, dass er unter zu hohem Blutdruck litt. Er öffnete die Tür im Fonds des Wagens und stieg ein. Seine Angewohnheit, immer auf dem Rücksitz Platz zu nehmen, wenn sie sich besprechen mussten, missfiel Kamarov sehr. Der Mann machte es sich auf dem Sitz bequem und wartete wortlos.
»Ich kann wirklich nur sagen, dass es mir leidtut«, sagte Kamarov.
Der andere holte tief Luft und änderte seine Sitzposition, erwiderte aber nichts.
»Dieser Mörder, der da sein Unwesen treibt, bereitet uns Schwierigkeiten.« Victor empfand das Schweigen des anderen als quälend.
»Uns?«
Victor verstand den Hinweis. Mit einem einzigen Wort spielte der Mann ihm die ganze Schuld zu. Es war lange her, dass Victor Kamarov sich so allein gefühlt hatte. »Das geht vorbei, die Räder werden wieder ins Rollen kommen. Vielleicht schon morgen.«
Der Mann auf dem Rücksitz beugte sich vor und sprach Victor direkt ins Ohr: »Meinen Sie, ich kann meinen Klienten auf die Schulter klopfen und sagen: Haben Sie Verständnis, Victor meint, dass es
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