Tödlicher Applaus
wir vielleicht eine Chance. Hans …« Rudi brachte den Satz nicht zu Ende. Er strich seinem Bruder über die Stirn. »Verlass mich nicht, Hans, versprichst du mir das? Mir fällt schon etwas ein.«
Hans versuchte zu nicken. Dann verdrehte er die Augen und verlor wieder das Bewusstsein.
Das GPS piepste wieder und mahnte Rudi, dass er sich schnell etwas einfallen lassen musste. Kam Hartmann alleine oder war ihm die gesamte Wiener Polizei auf den Fersen? Wie lange hielt Hans noch durch? Sollte er alle Spuren beseitigen, bevor sie verschwanden? Aber wie?
Wieder piepste das GPS. Der Ton verursachte ihm beinahe Schmerzen.
»Rudi?« Hans’ Stimme war kaum hörbar.
Rudi streichelte seinem Bruder übers Haar. »Halt durch, Hans. Ich bringe dich zu einem Arzt.« Er nahm ihn vorsichtig an den Schultern und brachte ihn in eine sitzende Position. »Geht das?«
Hans nickte mit schmerzverzerrtem Gesicht.
Rudi schob den Kopf unter Hans’ rechte Achsel, legte ihm einen Arm um den Rücken und zog ihn so sanft wie möglich auf die Füße.
»Wo wollt ihr denn hin?« Die Stimme, die plötzlich den Raum füllte, war Rudi nur allzu vertraut. Sie klang strenger als sonst und hatte einen unheilvollen Unterton.
Der Mann war lautlos in den Raum getreten, gefolgt von vier durchtrainierten Männern in dunklen Anzügen.
Rudi erkannte zwei von ihnen wieder. Er nickte ihnen zu, ehe er sich Vater Joachims hartem Blick stellte. All seine Selbstbeherrschung musste er dazu aufbieten. »Es ist wegen Hans … Er schwebt in Lebensgefahr.« Rudi legte Hans vorsichtig wieder auf den Boden.
»Ist das mein Problem?«, antwortete Vater Joachim mit einem breiten Lächeln. Er gab seinen vier Assistenten ein Zeichen, woraufhin sie mit der Durchsuchung des Raumes begannen. Danach verteilten sie graue, lehmig aussehende Klumpen an verschiedenen Stellen. Rudi war klar, dass das C-4 reichte, um das ganze Gebäude in Schutt und Asche zu legen.
Er bereute es bitter, dass er bei ihrem letzten Treffen auf dem Schiff nicht die Gelegenheit ergriffen und Vater Joachim ausgeschaltet hatte. Er war zu feige gewesen, hatte nicht die ganze Organisation gegen sich aufbringen wollen, denn das hätte ihn gezwungen, an zwei Fronten gleichzeitig zu kämpfen, und hätte seine Pläne, zu einem letzten großen Schlag gegen Kamarov auszuholen, womöglich torpediert.
»Habe ich dir nicht klare Anweisungen gegeben, die Operation abzuschließen? Hast du unser Gespräch auf der Fähre vergessen?«
Rudi schüttelte den Kopf. »Ich habe unsere Unterhaltung als einen Meinungsaustausch zwischen Experten betrachtet, nicht als Anweisung.«
»Musstest du den Bogen wirklich so überspannen und uns alle in Gefahr bringen? Bist du dir im Klaren darüber, was für einen Schaden du angerichtet hast?« Vater Joachim setzte sich und streckte die Beine so weit aus, dass er Hans mit dem Fuß berühren konnte. »Und was soll das hier darstellen? Geschwisterliebe?« Er stieß Hans mit der Schuhspitze in die Seite.
»Tom Hartmann ist auf dem Weg hierher. Und wahrscheinlich ist ihm die versammelte Polizeihorde samt Cobra auf den Fersen.«
»Glaubst du, das weiß ich nicht?« Vater Joachims Gesicht verzog sich zu einem Grinsen. Da klingelte sein Handy. Seine rastlosen Augen flackerten über seiner schiefen Nase hin und her, als er es aus der Tasche fischte. »Wir haben die Situation unter Kontrolle.« Vater Joachims Stimme war jetzt kalt und verächtlich. Er fluchte leise und legte auf, ohne auf eine Antwort zu warten. Dann sah er Rudi scharf an. »Wie lautet der Code, der Maria Kamarovs Bombe deaktiviert?«
Rudi schüttelte den Kopf.
Vater Joachim schlug ihm ins Gesicht.
»Wenn ich es wüsste, würde ich es doch sagen! Nein, das ist ganz allein Hans’ Werk! Ich wusste absolut nichts davon, und wir haben uns deswegen auch geprügelt. Er hat die Sprengladung codiert und hat sich geweigert zu sagen, wann sie hochgeht.«
Vater Joachim beugte sich über Hans und schrie ihn an: »Verdammt noch mal, wach auf!«
Sein Handy klingelte erneut. »Vergiss es, du brauchst einen Scheißdreck zu wissen!«, brüllte er in den Hörer und beendete das Gespräch.
»Hans und du«, fuhr er, zu Rudi gewandt, fort, »ihr beide wurdet für den Auftrag ausgewählt, weil ihr die größte Motivation hattet, ihn erfolgreich auszuführen. Ich habe mich auf euch verlassen. Aber ihr habt persönliche Interessen die Oberhand gewinnen lassen. Natürlich mein Fehler, weil ich den Bock zum Gärtner gemacht
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