Tödlicher Applaus
auf und ab, während er darauf wartete, dass er Verbindung bekam.
»Ja?« Kein Name, keine Referenz, genau wie abgesprochen.
»Könnten Sie ein möglicherweise schadhaftes Programm für mich überprüfen? Ich habe Angst, die Maschine könnte sich infizieren.«
Der andere zögerte und sprach dann so leise, dass man ihn gerade noch hören konnte. »Nach was soll ich suchen?«
»Das Virus nennt sich Opera Today . Es scheint sehr aggressiv zu sein. Überprüfen Sie das mal und sammeln Sie Informationen darüber. Danach entscheiden wir, wie wir fortfahren.«
»In Ordnung, ich rufe an, sollte ich Unterstützung brauchen.«
Rudi ging ins WAP, um die Nachrichten zu überprüfen: Medina hatte einen Herzstillstand gehabt. Die Ärzte konnten ihn reanimieren, fürchten aber neuerliche Komplikationen. Kamarov droht mit einer Klage über eine nie dagewesene Schadensersatzsumme gegen das Ullevål Universitätskrankenhaus, sollte Medina sterben.
Kamarov Management
Die Größe war das Erste, was Tom Hartmann auffiel, als er die Kamarov Holding betrat. Die Anzahl der Angestellten und die freundlichen, hellen Räume signalisierten den Wohlstand mehr als deutlich. Neben der Rezeption thronte auf einer Staffelei ein Ölgemälde mit Medinas Konterfei. Davor standen Blumen und brennende Kerzen. Plötzlich stand Kamarov in der Tür. Er füllte den Rahmen beinahe aus. »Willkommen in Wien. Gehen wir in mein Büro. Misha, ich bin den Rest des Tages beschäftigt.«
Die letzte Äußerung galt dem feminin aussehenden jungen Mann am Empfang. Er hatte reichlich Wachs in den Haaren und war mit einem Dolce&Gabbana-T-Shirt bekleidet, das seine beginnende Magersucht kaum kaschieren konnte. Er nickte freundlich und streckte die Daumen in die Höhe. Kamarov trug einen stahlblauen Anzug mit kreideweißem Hemd und einen hellblauen Schlips. Sein Schädel war frisch rasiert, wodurch seine großen braunen Augen noch intensiver und durchdringender wirkten. Ein Panther, der seine Beute musterte, bevor er seine Krallen in sie schlug. Tom Hartmann wunderte sich. Er hatte zwar eine vage Vorstellung davon, wie viel man als Manager von Kamarovs Kaliber verdiente, aber diese Holding schien viel mehr zu sein als bloß eine Organisation, die sich um die Vermittlung von einer Handvoll Sänger für diverse Opernhäuser kümmerte.
Kamarov erriet Toms Gedanken: »Ich hätte Karriere als Pianist machen können, habe mir aber glücklicherweise die rechte Hand bei einer Prügelei verletzt.« Er fletschte die Zähne und lachte auf die für ihn typische stoßweise Art, als ließe er gleichzeitig Dampf ab, um den Druck in seinem Inneren auszugleichen.
»Glücklicherweise?« Tom fragte vorsichtig nach.
»Nicht in der Ausübung der Kunst steckt das wirkliche Geld, sondern im Management der Künstler. Vorausgesetzt, man weiß, wie der Hase läuft. Sehen Sie sich nur die Ladenkette Aldi an. Die wissen, wie’s geht. Kunst oder Lebensmittel, das Prinzip ist das gleiche. Sie glauben vielleicht, dass Medina mich so reich gemacht hat. Aber das ist lächerlich. Medina war eine Investition, ein Geldgrab. Die Hälfte von allem, was ich über ihn verdient habe, musste ich gleich wieder in das Marketing stecken. Wirklich verdienen tut man nur an den Artikeln, die man massenhaft verkauft. Nach dem Aldi-Prinzip: hohe Qualität zu günstigen Preisen. Wie konnte man das auf die Opernbranche übertragen? Das war die Frage, die ich mir gestellt habe.«
Schweißperlen bildeten sich auf Kamarovs Stirn, und er holte tief durch die Nase Luft, als nähme er Witterung auf. »Koreanische und japanische Sänger. Wie in der Autoindustrie. Ich habe viel durch das Studium von Hyundai und Honda gelernt. Diese Firmen wissen, wie es geht. Sensationelle Autos zu sensationellen Preisen. Nicht Mercedes, aber fast.«
Kamarov schmatzte, als liefe ihm das Wasser im Mund zusammen. »Koreanische und japanische Sänger. Sensationelle Sänger zu sensationellen Preisen. Nicht so gut wie Medina, aber fast. Gut genug für das gemeine Volk. Und sie können arbeiten! Lernen eine neue Rolle über Nacht. Auf diese Weise habe ich die ›Ersatzkompagnie‹ ins Leben gerufen und kann damit garantieren, jederzeit kurzfristig Ersatz für einen ausgefallenen Sänger zu stellen. Überall auf der Welt. Sensationelle Sänger. Wenn auch nicht ganz so gut wie Medina. Aber eine Ware, von der man viel verkaufen kann. Die Aldi-Oper mit Hyundai-Tenören und Honda-Sopranistinnen.« Wieder lachte Kamarov, als ginge es darum,
Weitere Kostenlose Bücher