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Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Øystein Wiik
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Luft abzulassen.
    Tom war enttäuscht, verwirrt und überwältigt. Das also war der Mann, der einige der größten Sänger der Welt hervorgebracht hatte – indem er wie ein Krämer dachte? Wieder schien Kamarov eine Breitbandverbindung zu Toms Hirn zu haben.
    »Sie denken zu traditionell. Verstehen Sie denn nicht, dass ich nur deshalb die wahren Spitzen gefunden habe, weil ich eben mit einer solchen Vielzahl von Sängern zu tun habe? Wir brauchen die Arbeitsbienen. Sie bereiten den Boden. Sie sind der Dünger, der Mist, auf dem alles wächst! Tom, Sie wissen, dass das Arbeitsbienen sind, und ich weiß es auch. Aber das gemeine Publikum hört den Unterschied in aller Regel nicht. Das Publikum kauft alles, was nur billig genug ist. Würde ich diese Arbeitsbienen nicht verkaufen, könnte ich es mir gar nicht leisten, solche Sänger wie Medina hervorzubringen. Und noch etwas: Durch die hohen Marktanteile diktiere ich den Geschmack und gebe dem Publikum damit vor, was es kaufen und hören soll. Aldi!«
    Tom stammelte nur: »Na dann.«
    »Ich habe James Medina erschaffen, vergessen Sie das nicht. Sie hätten ihn hören sollen, als er das erste Mal für mich gesungen hat. Wir wohnten zusammen – ja, und es gab damals auch ein Mädchen, das wir uns teilten. Ein Luder vom Balkan. James stand im Wohnzimmer und sang zu einem Band mit Begleitmusik Una furtiva lagrima aus dem Liebestrank . Seine Stimme war wie blaue Seide, und ich hörte bereits heraus, was später zu seinen berühmten Pianissimotönen heranreifen sollte. Es war wie eine frühe Aufnahme von Beniamino Gigli oder Tito Schipa. Aber er war fett und feminin! Hoffnungslos! Trotzdem sagte ich damals: Im Laufe von einem Jahr wirst du in der Wiener Staatsoper singen! Ich hatte mich geirrt. Es dauerte nur sechs Monate!« Kamarov lachte so ungehemmt, dass er fast vom Sofa gekippt wäre.
    »Wer hat diese Tat begangen?« Kamarov nagelte Hartmann mit dem Blick fest.
    Tom holte tief Luft, kam aber gar nicht dazu zu antworten.
    »Natürlich wissen Sie das nicht. Niemand weiß das, und die Ermittlungen in Oslo stehen still. Es ist gut, dass Sie sich von ihrer Frau getrennt haben. Sie hat wirklich keinerlei Begabung. Was halten Sie von Francesco Arpata?«
    Tom zögerte. Kaum hatte Kamarov einen Gedankengang begonnen, entwickelte er bereits den nächsten. Es war verwirrend und ermüdend.
    »Er ist kein Medina, aber fast«, Kamarov lachte, »und er ist kein Koreaner.« Dann wurde er still, fast bedrohlich leise. »Arpata hasst Medina. Und er hat auch allen Grund für diesen Hass. Er musste damals kurzfristig ein Engagement absagen, und Medina ist für ihn eingesprungen. Damit war alles besiegelt. Seither ist er nur noch der zweitbeste Tenor der Welt. Stellen Sie sich das mal vor: immer nur der zweitbeste sein.«
    Kamarov trat an seinen PC, der auf einem antiken Edelholzschreibtisch stand. »Lassen Sie mich Ihnen etwas zeigen.« Kamarov hackte wild und wütend auf seiner Tastatur herum. »Verdammter Scheiß-PC! Schaffen Sie mir Rudi Maier her, sofort!«, brüllte er in die Gegensprechanlage.
    Tom dachte an den zarten Mann mit der Gelfrisur, der am Empfang saß. Sicher hing er jetzt über den Knöpfen seiner Kommunikationsanlage und forschte händeringend nach Kamarovs Retter.
    »Wird’s bald, Misha?«, schrie Kamarov.
    »Er ist in zwei Minuten da. Er war in einem Café auf der anderen Straßenseite«, antwortete Misha.
    »Niemand sitzt in irgendeinem Café, wenn ich ihn brauche!« Kamarov grinste. »Ich mache es genau wie Hitler. Brüll die Welt an, und sie marschiert im Takt.«
    Tom wollte etwas erwidern, aber die Worte blieben ihm im Hals stecken. Wie gelähmt starrte er zur Tür, in der ein junger Mann stand. Er hatte seine langen blonden Locken hinter die Ohren gesteckt, sodass sie wie ein Schild über seinen Rücken herabhingen. Es war derselbe Mann, der neben Tom Hartmann im Flugzeug von Oslo nach Wien gesessen hatte. Der Mann, der unter dem Namen David Goldberg gereist war.
     

Sinnestäuschung
    »Tom, das ist Rudi Maier. Mit ihm habe ich den reinsten Glücksgriff getan! Unser Computersystem war das blanke Chaos, bis er vor knapp einem Jahr zu uns gestoßen ist. Außerdem ist er ein wahres Talent, was die Rollenbesetzung angeht. Ich liebe ihn, wegen ihm könnte ich fast schwul werden.« Kamarov ließ wieder sein Lachen hören.
    Rudi Maier nickte Tom zu und ging zu dem PC. Tom war verwirrt. Nichts in Maiers Gesicht deutete darauf hin, dass er ihn wiedererkannte. Sein Blick

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