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Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Øystein Wiik
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konnte.
    »Weißt du eigentlich, dass Orgasmus und Tod enge Freunde sind?« Er wälzte sie auf den Rücken und zerrte ihr das Kleid vom Leib, das dabei zerriss. In einem abgelegenen Winkel ihres Gehirns bedauerte Gina, dass das schöne Kleid kaputt war.
    Wo blieb Victor? Er wollte ein paar Fotos machen und dem Ganzen dann ein Ende bereiten. Das hatte er ihr versprochen.
    Arpata zog seine Hose aus. Das Fett hing in Wülsten an den Außenseiten seiner Schenkel herunter, und sein Penis wirkte in Anbetracht der Körperfülle klein und war halb vom herabhängenden Hemd verdeckt.
    »Du musst einen Gummi benutzen«, sagte Gina.
    Arpata antwortete mit einer weiteren Ohrfeige und presste sie auf das Bett. Sie resignierte, schloss die Augen und dachte daran, was Victor über Fair Play gesagt hatte. Doch das gab ihr keine Kraft. Sie schützte sich, indem sie sich an einen Punkt tief im Inneren ihres Kopfes zurückzog und an die weißen Blumenteppiche dachte, die im Frühjahr Bijelo Polje bedeckten, und an das Evangelium des Miroslav mit dem Gebet: Herr, vergiss mich nicht, meine sündige Seele, bleib an meiner Seite, auf dass ich nicht bereue, dir gedient zu haben, wenn du mich abweist.
    Sie flüchtete in dieses Gebet, betrachtete von außen, was mit ihr geschah. Das hatte nichts mit ihr zu tun. Ihr kamen die Tränen, sie rollten kalt über ihr brennendes Gesicht.
    Arpata keuchte, dann folgte eine Serie von Spasmen, bevor er schwer und nach Atem ringend auf ihr liegen blieb. Gina glaubte, von seinem Gewicht erdrückt zu werden, von dem Gestank seines ungewaschenen Schwanzes.
    Er stand auf, zog die Hose hoch und stopfte das Hemd in den Bund. Dann spuckte er auf sie. »Hure!« Er strich sich die Haare zurecht, zog seine Jacke an und ging.
    Gina rollte sich auf dem Bett zusammen, schlang die Arme um die Knie und wiegte sich hin und her: Herr, vergiss mich nicht, meine sündige Seele. Sie bekam nicht mit, dass Victor aus dem Bad trat. Er setzte sich aufs Bett und legte seine Hand auf sie.
    »Danke«, sagte er. »Jetzt kann James Medina Francesco Arpatas Rolle übernehmen.«
    »Du wolltest ihn vorher stoppen«. Gina war kaum zu hören. »Warum hast du ihn nicht davon abgehalten?«
    Victor zog seine Hand zurück und klang plötzlich geschäftsmäßig. »Wir dürfen uns nicht zu früh verraten. Wir brauchen das Überraschungsmoment! Außerdem habe ich erst gegen Ende richtig gute Fotos hinbekommen. Du warst sensationell, Gina. Richtig gute Arbeit. Ich bin stolz auf dich.« Victor ging zur Tür. »Du kannst das Zimmer bis morgen behalten. Minibar, Zimmerservice, ich zahle alles.«
    Dann war er weg.
    Gina ließ ihren Tränen freien Lauf. Aber sie weinte nicht wegen Francesco Arpata, sie weinte um Victor und um sich. In ihr Tagebuch hatte sie geschrieben: »Ich bin einem Engel begegnet. Er heißt Victor, Victor Kamarov! Der einzige Mensch, der jemals für mich gekämpft hat.« Gina weinte über den Verlust ihres Engels. Sie ging in die Dusche und blieb eine Stunde lang unter dem heißen Wasser stehen.
    Dann zog sie das rote Kleid an. Auf einer Seite hatte es zwei lange Risse. Gina knotete es zusammen und hängte die Tasche darüber, um ihren Körper so gut es ging zu bedecken. Dann taumelte sie auf viel zu hohen Absätzen nach draußen, fort vom Palais Schwarzenberg, über die Ringstraße, den ganzen weiten Weg bis zur Josefstädterstraße.
    Sie achtete nicht auf die Ampeln, wäre fast von einer der roten Straßenbahnen überfahren worden und spürte nicht, ob es draußen warm oder kalt war, sondern nur die Enttäuschung und Verzweiflung über Victors Verrat. Gina versuchte an James zu denken. Wie glücklich er sein würde, endlich seine Chance zu bekommen. Würde sie ihm jemals erzählen können, was sie ihm zuliebe geopfert hatte? Nein.
    Nach Hause in die Bennogasse wollte sie nicht, genauso wenig zurück ins Hotel. So lief sie ziellos durch das Viertel am Wiener Gürtel und wurde von einsamen Männern angesprochen, die auf der Suche nach Sex waren. Schließlich schlief sie, gestützt auf einen Stapel Zeitungen, in einem Hauseingang ein, immer vor sich hin flüsternd: »Herr, vergiss mich nicht.«
     

Eine gute Geschäftsgrundlage
    Die Fotos steckten in einem braunen Umschlag, der an der Rezeption von Francesco Arpatas Hotel hinterlegt worden war. Augenblicklich packte ihn die Angst und schnürte sein Herz wie mit einer Metallzwinge zusammen. Schweiß rann ihm über Gesicht und Körper. Er wollte schreien, riss sich aber zusammen, um

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