Tödlicher Applaus
Medina.«
»Wer soll das sein?«
»Ein kommender Weltstar, den ich vertrete.«
»Das ist Erpressung.«
Victor grinste. »Nicht ich bin mit einer Hure ins Bett gegangen und habe sie vergewaltigt. Es steht Ihnen frei, zu Ihren Taten zu stehen.« Er holte ein Taschentuch hervor und tupfte Arpata den Schweiß von der Stirn. »Wissen Sie, ich habe gute Freunde bei der Polizei. Die haben mir berichtet, dass schon zwei Anzeigen wegen Vergewaltigung gegen Sie vorliegen, und das brachte mich auf die Idee, Sie mit Gina zusammenzubringen. Man muss seine Hausaufgaben erledigen, wenn man es auf dieser Welt zu etwas bringen will. Das habe ich gelernt, als ich Rachmaninov studierte.«
Victor ging an die Bar und goss ein Glas Rémy Martin ein. »Cognac? Sie haben heute Abend frei und können das Leben genießen. Denken Sie nicht an Nemorino. Die Rolle passt nicht zu Ihnen. Ihnen stünde ein schwereres Repertoire besser, wie Manrico, Calaf oder Peter Grimes.«
Kamarov steckte sich die Zigarre zwischen die Zähne, trat hinter Arpata und begann, dessen Nacken und Schultern zu massieren. »Bei mir sind Sie in den besten Händen. Sie sehen ja, wie weit für meine Sänger zu gehen ich bereit bin. Nur Fanatiker bringen es in dieser Welt zu etwas. Ich gehe über Leichen. Ich bin dazu geboren. Können Sie einem Löwen vorwerfen, dass er tötet? Natürlich nicht. Ich tue alles, was nötig ist, damit meine Sänger Erfolg haben. Und wissen Sie was? Ich habe nichts zu verlieren. Das ist mein größter Trumpf. Ich habe absolut nichts zu verlieren.«
Arpata blickte zu dem großen Mann auf, der hinter ihm stand. Sein letzter Rest Widerstand war Angst gewichen. Das Erschreckendste an diesem Mann war das Fehlen jeglichen Schuldgefühls. Es war lebensgefährlich, nicht auf seiner Seite zu stehen.
»Würden Sie sich um die praktische Abwicklung mit Doris Bühmel kümmern?« Arpatas Stimme klang gebrochen, und seine Augen flehten Kamarov an. Die Auslieferung war total.
Victor goss ihm einen weiteren Cognac ein. »Ich wusste, dass Sie zur Vernunft kommen. Sie werden es nicht bereuen. Es wird mir eine Freude sein, mit Frau Bühmel zu reden. Trinken Sie nur ruhig Ihren Cognac und genießen Sie ihn. Wenn das Glas leer ist, können Sie zum Hörer greifen.«
Arpata rief den Opernchef persönlich an. »Hier ist Francesco Arpata. Ich habe meine Stimme verloren.«
Kamarov nickte zufrieden. »Guter Junge.«
Der Durchbruch
Eine halbe Stunde später saß James Medina in der Maske und wurde auf sein Debüt als Nemorino vorbereitet. Ein junger, übereifriger Regieassistent versuchte ihm die wichtigsten Regieanweisungen einzuprägen, doch für Medina war es nicht mehr als ein Hintergrundrauschen. Während er noch einmal seine Rolle durchging, musste er immer wieder an Gina denken. Sie war gestern Abend nicht nach Hause gekommen und auch heute noch nicht aufgetaucht. Er hatte schon die Polizei anrufen wollen, aber Victor hatte ihm davon abgeraten.
»Sie ist in der Vergnügungsbranche tätig, solche Mädchen verschwinden hin und wieder. Kein Grund zur Sorge. Bestimmt hat sie jemanden kennengelernt, der sie nicht wieder gehen lassen will.«
Danach hatte Victor ihm die wesentlichen Regieanweisungen gegeben: Sei egoistisch auf der Bühne. Spiele so, als wärst du der Einzige. Such dir den Punkt auf der Bühne, von dem aus deine Stimme am besten klingt, und sing so häufig es geht von dieser Stelle aus. Du musst dir darüber im Klaren sein, dass alle nervös sind und denken, dass du es nicht schaffst, und dir deshalb alle nur erdenkliche Hilfe zuteilwerden lassen. Im Klartext heißt das: Du kannst machen, was du willst, die anderen werden nach deiner Pfeife tanzen, und du wirst im Mittelpunkt stehen. Außerdem habe ich darauf bestanden, dass ein Scheinwerfer immer auf dich gerichtet ist. Du wirst deshalb etwas heller erscheinen als alle anderen. Gratis Charisma. Koste den Beifall aus und lass nicht zu, dass der Dirigent einfach weiter durch das Stück rast. Das Publikum will applaudieren, also gib ihm die Gelegenheit. Darüber hinaus habe ich gewisse andere Vorkehrungen getroffen. Setzt du nach einer Arie zu schnell wieder ein, machst du das alles kaputt.
Medina warf einen letzten Blick in den Spiegel und war fast ein bisschen überrascht von der Person, die ihm entgegensah. Er erblickte einen Bühnenhelden. Verschwunden war der Babyspeck, sein Gesicht strahlte Willenskraft aus, und sein Körper wirkte gestählt, elegant wie ein Stierkämpfer. Victors
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