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Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Øystein Wiik
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reglos stehen, auch als ihm das Wasser bis zu den Schultern reichte, zum Hals, zum Mund und er schließlich und für alle unfassbar unter der Wasseroberfläche verschwand und nicht wieder auftauchte.
    Die Zuschauer hielten vor Faszination den Atem an. Ein bühnentechnischer Geniestreich.
    Tom wusste, wie dieser Trick funktionierte, war aber trotzdem beeindruckt. Unter der Wasseroberfläche befand sich ein Geländer, an dem Arpata sich zu dem ein Meter unter der Wasseroberfläche liegenden Bühnenvorbau ziehen konnte. Er brauchte dafür nur gute Lungen, und welcher Tenor hatte die nicht?
    Der Effekt war großartig. Grimes war mit dem Boot untergegangen. Der Augustmond hing groß und gelb über dem Bodensee, und die Violinen spielten mit den Grillen um die Wette. Weit draußen flackerten Lichtpunkte auf dem Wasser wie Glühwürmchen – Boote, die langsam dahinglitten. Der abschließende Chorsatz, der den wiederhergestellten Frieden und das Gleichgewicht in Peter Grimes’ Fischerdorf intonierte, mischte sich mit den Lauten der Spätsommernacht. Alles strahlte Vergänglichkeit aus, den eitlen Wunsch, den Augenblick ein wenig länger auszudehnen als möglich.
    Mit einem Mal begann das Wasser an einer Stelle zu brodeln, fast so, als kochte es. Ein Mann lief gebeugt am Rand der Bühne entlang.
    Schade, dachte Tom, dass sie das so offensichtlich machen. Dann stellte er fest, dass es gar nicht Arpata war, sondern ein Bühnentechniker, der rasch ins Wasser watete, ein paar Meter schwamm und dann untertauchte.
    Als er wieder auftauchte, hielt er eine Hand über die Augen, gestikulierte wild und schrie etwas. Er war verletzt, hatte Schmerzen. Das Orchester spielte, der Chor sang, und irgendetwas ging fürchterlich schief.
    Tom wagte es kaum, seinen Gedanken zu Ende zu denken.
     

Tödlicher Applaus
    Als das Boot sank, legte Arpata erst die eine, dann die andere Hand um das Geländer und wartete auf den Moment, an dem er sich ungesehen unter Wasser ans Ufer ziehen konnte.
    Als er die Hand umsetzte, passierte es.
    Um seinen linken Unterarm schnappte etwas zu. Im ersten Augenblick glaubte er, ein Tier hätte ihn gebissen, aber der Schmerz, der ihn durchfuhr, war so durchdringend, dass er unmöglich vom Biss eines Süßwasserfisches herrühren konnte. Die Zähne hielten ihn wie in einer Schraubzwinge fest und machten es unmöglich, den Arm zu bewegen, geschweige denn sich vom Fleck zu rühren. Verzweifelt streckte er seinen Hals, um den Kopf über Wasser zu bekommen, aber er war bereits zu tief unten.
    Panik überfiel ihn. Er ruckte an seiner Fessel und strampelte mit den Beinen, doch das führte lediglich dazu, dass die Schmerzen ihn mit doppelter Wucht übermannten und wie Schlagbohrer in sein Rückenmark stießen.
    Blut strömte aus der Wunde und vermischte sich mit dem aufwirbelnden Schlamm. Verzweifelt versuchte Arpata, den Mund geschlossen zu halten, aber sein Magen zog sich in spastischen Krämpfen zusammen, und die Bauchmuskeln drückten in rhythmischen Stößen die Luft aus der Lunge. Sein Körper wand sich wie der eines Fisches, der um sein Leben kämpft. Bis keine Luft mehr kam. Bis die Lungen zusammengepresst waren wie ausgewrungene Schwämme und nach Sauerstoff schrien, Beine und Arme spastisch zu zucken begannen.
    Dann dehnten seine Lungen sich schlagartig aus. Arpatas Mund öffnete sich, er saugte Wasser, Schlamm und Blut ein. Die Atmung reagierte mit einem Kurzschluss, das Zwerchfell versuchte, das Wasser herauszudrücken, aber die Lungen gehorchten nicht mehr. Sein Mund blieb in einem stummen Todesschrei weit offen stehen, und seine Augäpfel traten aus den Höhlen.
    Plötzlich nahm er eine Bewegung wahr. Irgendetwas kam auf ihn zugeschwommen. Noch ein beißwütiges Monster? Er fuchtelte wild mit dem freien Arm, schlug und trat, so fest er konnte, spürte einen Widerstand und hörte ein Knacken. Das Geschöpf zog sich zurück, aber gleich darauf waren drei weitere Gestalten da. Arpata schlug weiterhin um sich, verlor aber allmählich jedes Gefühl in Armen und Beinen. Der stechende Schmerz in den Lungen ging in Taubheit über, seine Sinne schwanden. Die drei Gestalten zerrten an ihm, aber die Kiefer, die sich um seinen linken Arm geschlossen hatten, hielten dagegen, gaben ihn nicht frei.
    Im hintersten Winkel seines Bewusstseins erschien die Gewissheit, dass dies das Ende war. Er würde sterben.
    Das Orchester erbebte in einem letzten, herzzerreißenden Seufzer, dann brach der Applaus los. Die Zuschauer sprangen

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