Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Øystein Wiik
Vom Netzwerk:
mich an! Hast mir gesagt, du wärst heute Nacht allein in deinem Zimmer gewesen. Und dass du die Frau auf der Zeichnung noch nie gesehen hast. Aber sie war es, die dich im Krankenhaus besucht und den Raum verlassen hat, als ich kam.«
    »Warum rufst du mich eigentlich an?«
    »Genau das versuche ich dir zu erklären.«
    »Steckst du mit denen unter einer Decke. Versucht ihr, mich zu orten?« Tom flüsterte jetzt, obgleich die Wahrscheinlichkeit, dass um ihn herum jemand Norwegisch verstand, verschwindend gering war. »Du versuchst, mich zu orten, du mieses Stück!«
    »Tom? Tom, bitte, leg nicht auf!«
    Tom sah sich um. Wie genau konnte man ein Handy orten? War es möglich, ihn in dieser Menschenmenge zu lokalisieren? Der Mann vor ihm trug einen langen Popelinemantel mit schräg geschnittenen Außentaschen. Ohne lange nachzudenken, ließ Tom sein Handy in die linke Manteltasche gleiten und ging auf Distanz zu dem Mann, indem er einfach stehen blieb. Drängler von hinten schlossen die Lücke sofort.
    Ganz langsam schob sich Tom seitlich weg. Er durfte auf keinen Fall Aufmerksamkeit erregen. Sein Hirn begann wieder zu arbeiten, analysierte die Lage und seine Möglichkeiten zur Flucht. Der Einfall mit dem Handy verschaffte ihm einen gewissen zeitlichen Spielraum, und sollte sich der Mann, dem er es untergejubelt hatte, nicht ausweisen können, hätte er zusätzlich Zeit gewonnen. Dennoch: Er brauchte eine Idee, und zwar schnell. Alle Ausgänge des Zuschauerraums waren für die Kontrollen abgesperrt. Noch waren keine Kriminaltechniker eingetroffen, um den Tatort zu untersuchen. Das war seine Chance.
    Er arbeitete sich Schritt für Schritt durch die Menge in Richtung Wasser und Bühne vor. Unweit der Stelle, an der Arpata mit dem Boot untergegangen war, waren ein paar Anlegestege und Pfähle. Vielleicht konnte er ja … Da hörte er sein Handy klingeln. Medinas Stimme wirkte in dieser Situation grotesk. Ein makabrer Gruß aus dem Grab an das nächste Opfer.
    »Wem gehört das Handy hier?«, rief der Mann im Popelinemantel und hielt Toms Handy hoch über den Kopf. »Das lag in meiner Manteltasche.«
    »Nicht annehmen, vielleicht ist das eine Bombe!«, rief jemand. Sogleich wichen die Menschen vor ihm zurück.
    Der Mann nutzte den gewonnenen Freiraum, lief zur nächsten Absperrung und übergab das Handy einem jungen Polizisten. Der Beamte zögerte, dann rief er: »Legen Sie es auf den Boden, und nehmen Sie einen anderen Ausgang!«
    Die nun entstehende Unruhe kam Tom sehr gelegen. Die Menge im Blick, machte er ein paar Schritte rückwärts und schlüpfte unter den Steg. Und obwohl er jede Sekunde damit rechnete, entdeckt zu werden, passierte nichts.
    Das Wasser war erstaunlich frisch. Tom nahm die Brieftasche aus der Brusttasche seines Sakkos und klemmte sie zwischen die Zähne, ehe er sich nach vorne abstieß. Das Wasser fand schnell den Weg unter Jacke und Hemd, seine Schuhe wurden bleischwer, und die Krawatte ringelte sich wie eine gemusterte Schlange neben seinem Kopf.
    Er war jetzt ungefähr fünfzig Meter vom Ufer entfernt und musste sich orientieren. Quer über den See zu schwimmen wäre Selbstmord. Und Tom hatte absolut keine Absicht, sein Leben im Bodensee zu beenden. Weiter draußen sah er die Lichter der Boote auf dem Wasser. Wenn er nur ein Boot entern und damit in die Freiheit segeln könnte! Er trat Wasser, während er nachdachte und sich in alle Richtungen nach einem möglichen Ausweg umschaute.
    Das Motorboot, das jetzt direkt auf ihn zuschoss, hatte er gar nicht kommen hören. Er schwamm zur Seite, legte all seine Kraft in seine Schwimmzüge, um nicht gerammt zu werden, war aber nicht schnell genug. Das Boot traf ihn mit der linken Bugseite und schleuderte ihn nach hinten. Der Sog drückte ihn unter Wasser, und für einen Moment hatte er das Gefühl, sein Körper würde auseinandergerissen. Als er wieder auftauchte, nahm er eine Gestalt an Bord wahr, die den dumpfen Schlag gehört zu haben schien und nun die Geschwindigkeit drosselte. Im nächsten Augenblick flammte ein Funke Hoffnung auf. Das Motorboot hatte ein Schlauchboot im Schlepptau, an dessen Außenseite ein Seil verlief. Tom griff danach, rutschte aber ab und glitt mit beiden Händen an der Bordwand entlang. Bei dem Versuch, die Fingernägel in das PVCzu bohren, riss ihm ein Nagel ab. Der Schmerz war unsäglich. Obgleich er nun schlagartig jegliches Gefühl aus seinen Händen verlor, schafften es seine Finger, sich im letzten Moment an das Seil zu

Weitere Kostenlose Bücher