Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Øystein Wiik
Vom Netzwerk:
gewesen, und er war entkommen. Falls er versucht hatte, schwimmend den See zu überqueren, würden sie ihn früher oder später als Wasserleiche finden. Wenn er nur ein Stück weit geschwommen und dann wieder an Land gegangen war, würde ihn die Hundestaffel aufspüren. Hartmann konnte nicht weit weg sein. Vor Morgenanbruch würden sie ihn haben. Lochmann freute sich schon auf die Vernehmung.
    Es wurde heller, oder besser gesagt: grauer. Nebel lag über dem Land, was es Tom nicht leichter machte, eine Stelle zu finden, an der er anlegen konnte. Er entschied sich für ein Wäldchen, das bis ans Wasser reichte.
    Er schaltete den Motor aus, und das Beiboot glitt ruhig die letzten Meter ans Ufer. Es tat gut, wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren. Tom stellte die Motorschraube fest, sodass das Boot nur noch geradeaus fahren konnte, drehte es um und startete den Motor erneut. Unbemannt tuckerte es nun durch den Nebel auf den See hinaus und würde mit etwas Glück am gegenüberliegenden Ufer stranden. Danach zog er sich rasch in den Schutz des Waldes zurück.
    Er zählte sein Geld: achthundert Euro in bar. Ob seine Karten noch funktionierten, musste er an einem Geldautomaten überprüfen, was jedoch nicht ganz risikolos war. Aber hatte er eine andere Wahl?
    Es war noch früh am Morgen, als Tom das Wäldchen durchquerte und auf ein Feld hinaustrat. In der Ferne erkannte er durch den Nebel die Konturen eines Ortes. Wenn er sich beeilte, würde er ihn erreichen, noch bevor seine Bewohner erwachten.
    Der morgendliche Dauerlauf weckte Toms Lebensgeister. Zügig langte er am Ortsrand an und fand auch rasch eine Bank. Seine Scheckkarte funktionierte, und nach kürzester Zeit hatte er sowohl sein Girokonto als auch – nach kurzem Zögern – das Konto, das Kamarov für ihn eingerichtet hatte, geleert. Warum sollte er sich nicht einen kleinen Vorschuss auf die Medina-Biografie gönnen?
    Zwischen zwei Fachwerkhäusern stand ein altes, unabgeschlossenes Fahrrad. Nicht unbedingt das schnellste Verkehrsmittel der Welt, aber weniger auffällig als ein gestohlenes Auto. Tom schlug die Richtung ein, in der er eine größere Straße vermutete, und hoffte so in eine Stadt mit Bahnhof zu gelangen.
    In seinen Schuhen befanden sich noch immer kleine Pfützen, und die nasse Hose scheuerte sein Hinterteil allmählich wund. Von diesen äußeren Misslichkeiten und der Tatsache, dass er ein gesuchter Mörder war, einmal abgesehen, war es beinahe idyllisch, an diesem frühen Sommermorgen über die Landstraße zu radeln. Die wenigen Autofahrer, denen er begegnete, hielten ihn vermutlich für einen Nachtschwärmer auf dem Weg nach Hause.
    Tom begann Beethovens Pastorale zu pfeifen und sang dann leise vor sich hin. Er war nicht unzufrieden: Er war der Polizei entkommen und hatte die Kräfte ausgebremst, die das Komplott gegen ihn geschmiedet hatten und ihm die Schuld an Medinas und Katjas Tod in die Schuhe schieben wollten. In gewisser Weise stärkte das Toms Selbstvertrauen. Er war klüger gewesen als sie alle zusammen.
    Doch das Glück war nicht von Dauer. Er hatte eine kleine Anhöhe erklommen und sich auf die Abfahrt über die kurvige Straße gefreut, als er ein Stück entfernt eine Straßensperre bemerkte.
     

Überlebenskünstler
    Etwa hundert Meter vor sich sah er grün-silberne Polizeiwagen, eine mobile Schranke und eine lange Schlange wartender Autos dahinter. Tom blickte sich um. Die wilde Flucht mit dem Boot hatte ihn also nach Deutschland geführt.
    Zwischen ihm und der Straßensperre lag als einziger möglicher Zufluchtsort ein Bauernhaus mit einer Scheune und einem angebauten Stall. In der Ferne vernahm er jetzt wieder das Gebell von Hunden. Auf einem Feld fuhr ein Traktor mit Anhänger.
    Verdammt! Waren alle Anstrengungen der Nacht umsonst gewesen? Kehrtmachen und zurückradeln konnte er nicht, wenn er die Aufmerksamkeit nicht auf sich ziehen wollte, ebenso wenig das Fahrrad an den Straßenrand legen und zu Fuß über das Feld gehen. Das Bellen der Hunde war jetzt deutlicher zu hören.
    Um Zeit zu gewinnen, stieg Tom vom Fahrrad und tat so, als hätte er ein Problem mit der Kette. Dann stand er wieder auf und schüttelte theatralisch den Kopf, fand jedoch, dass er ein miserabler Schauspieler war. Ein unangenehmer Geruch stieg ihm in die Nase. Gülle.
    Die Autoschlange wurde immer länger. Offensichtlich gingen die Beamten gründlich zu Werke. Mit erzwungener Ruhe schob Tom sein Fahrrad immer näher an die Sperre heran. Er

Weitere Kostenlose Bücher