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Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Øystein Wiik
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Absage?« Kamarov starrte Misha ungläubig an.
    Der junge Mann an der Telefonzentrale zog den Kopf ein und starrte ihn an, als wollte er sagen: »Don’t shoot the messenger.«
    »Sind die denn alle verrückt geworden? Sieh zu, dass du sie wieder zum Arbeiten bringst. Das ist ein Befehl! Sonst sorge ich dafür, dass sie in dieser Branche keinen Fuß mehr auf den Boden kriegen, für immer und ewig! Hast du das verstanden?«
    Misha zitterte. Das Dolce&Gabbana-T-Shirt klebte an seinem Körper. Unaufhörlich klingelte das Telefon.
    »Geh schon ran, Mann!«, brüllte Kamarov.
    Der junge Mann stürzte zum Telefon: »Kamarov Management, Sie sprechen mit Misha.«
    Misha spürte Kamarovs Energie wie Nadeln im Rücken. Er hatte sich direkt hinter ihn gestellt, um das Gespräch mithören zu können.
    »Er weigert sich, heute Abend zu singen? Ob wir Ihnen einen Ersatz beschaffen können?«
    Victor Kamarov riss Misha das Headset vom Kopf, hielt es sich vor den Mund und schrie: »Hier ist Victor Kamarov. Sagen Sie diesem dummen Eunuchen, dass ich ihm eine Millionenklage an den Hals hänge, wenn er sich wegen der Vorfälle mit Medina und Arpata zu singen weigert!« Er warf Misha das Headset hin, trat ans Fenster, öffnete es und schrie: »Scheiße!«
    »Das war der Chef der Metropolitan-Opera. Ich befürchte, er erwartet eine Entschuldigung …«
    »Verflucht, das war … Peter? Leg das Gespräch in mein Büro, ich nehme es drüben entgegen.«
    Kamarov knallte die Tür hinter sich zu. Es war ihm peinlich, dass er ausgerechnet Peter Hamilton angeschrien hatte, aber die letzte Zeit war wirklich ein Albtraum gewesen. Nach dem Mordversuch an Arpata war unter seinen Sängern Panik ausgebrochen, reihenweise hatten sie sich von einem Tag auf den anderen für unbestimmte Zeit krankgemeldet. Er sah schon Berge von Schadensersatzforderungen auf sich zukommen.
    Das Telefon klingelte. Kamarov fuhr sich mit der Hand über den glattrasierten Schädel, atmete tief durch und nahm den Hörer ab. »Hey, Pete, es tut mir leid, aber dieser Tag hat wirklich fürchterlich begonnen.«
    »Das verstehe ich, wirklich eine schlimme Sache, das mit Francesco. Er kommt doch durch?« Hamiltons sonorer Bass war Balsam für Kamarovs angegriffene Nerven.
    »Das schon, aber als Schwachsinniger! Ich verstehe das alles nicht!«
    »Ich fühle mit dir, aber sogar hier in New York will keiner deiner Sänger auftreten. Für heute Abend muss ich die Don-Carlos -Vorstellung absagen.«
    »Was geht da vor, Pete? Wir haben doch nicht den 11. September?«
    »Im Web kursiert das Gerücht, dass es speziell deine Sänger sind, auf die es der Mörder abgesehen hat. Es verbreitet sich von Chatroom zu Chatroom. Das ist wie ein Erdrutsch. Gibt es denn irgendetwas Neues in dem Fall? Etwas, womit ich die Sänger beruhigen kann, damit sie wieder arbeiten?«
    Kamarovs Kopfschmerzen lagen wie ein Hämmern hinter seinen Augen. »Die Polizei hätte Tom Hartmann gestern Abend fast geschnappt. Aber er ist auf unerklärliche Weise verschwunden. Möglicherweise ist er im Bodensee ertrunken. Kannst du das nicht deinen Sängern sagen?«
    »Ist denn erwiesen, dass Tom Hartmann der Täter ist?«
    »Ich bin mir sicher, dass er es ist. Werner Diepold, der Polizeipräsident von Wien, hat mir versichert, dass sie alles in ihrer Macht Stehende tun, um ihn zu finden. Er hat seine besten Ermittler auf ihn angesetzt.«
    Peter Hamilton seufzte. Kamarovs Antwort würde die Hysterie unter den Sängern kaum eindämmen können. »Wenn sich das nicht bald klärt, bin ich gezwungen, andere Sänger als deine zu engagieren, Victor. Ich hoffe, du verstehst das. Mir tut das aufrichtig leid, denn ich weiß, welchen Verlust du erlitten hast. Ich muss aber an mein Publikum denken.«
    Victor hatte kaum aufgelegt, als das Telefon erneut klingelte. Er ließ es klingeln und starrte auf die E-Mail, die er kurz nach den Anschlägen auf Medina und Arpata bekommen hatte. »Herr, vergiss mich nicht, meine sündige Seele.« Die Nachricht war ihm von einer anonymen Internetadresse geschickt worden und konnte nicht zurückverfolgt werden. Der Text erinnerte ihn an etwas, er wusste nur nicht, an was.
     

Vater und Tochter
    Michael Steen wachte wie gewöhnlich ein paar Minuten vor dem Klingeln des Weckers auf. Er sah auf die Uhr: 3.56 Uhr. Er hatte gut geschlafen, zum ersten Mal seit sehr langer Zeit. Er stand auf und zog sich seinen dunkelblauen Frotteemorgenmantel und ein paar warme Pantoffeln an. Dann ging er langsam in das

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