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Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Øystein Wiik
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haben. Hatte er einen Blackout, um sich selbst vor der grauenvollen Tat zu schützen, die er begangen hatte? Er durchwühlte sein Gedächtnis. Es war früh gewesen, aber sie hatte doch einen Abschiedsgruß gemurmelt, oder nicht? Doch, und sie hatte sogar die Arme ausgestreckt, um sich mit einer Umarmung von ihm zu verabschieden. Oder?
    Ein Motor startete. Tom zuckte zusammen. Es war das Auto auf dem Vorplatz, das losfuhr, begleitet von »Tschüs«, »Ciao« und »Wiedersehen«. Die Deutschen und ihre endlosen Abschiedsrituale! Dann begann der Motor in der Garage zu brummen. Der Wagen setzte zurück, bog ab und entfernte sich. Dann war es still.
    Der Puls pochte in Toms Ohren, als er aufstand und um die Ecke lugte. Alles wirkte still und verlassen. Er fasste sich ein Herz und lief zu der Haustür, die natürlich abgeschlossen war. Tom fahndete nach einem Ersatzschlüssel, wurde jedoch weder in dem Blumentopf noch unter der Fußmatte fündig. Die Dachrinne der Garage befand sich in Griffhöhe, also tastete er sich durch feuchte Blätter und Tannennadeln bis zum Ablauf. Dort ragte ein Nagel aus der Wand, an dem ein Faden hing. Er zog an dem Faden und siehe da: der Hausschlüssel. Seine Hand zitterte, als er den Schlüssel ins Schloss steckte und die Tür öffnete.
    Es war ein merkwürdiges Gefühl, ungebeten eine fremde Wohnung zu betreten, er kam sich vor wie ein Voyeur. Es duftete nach Kaffee und frischem Brot. Die Tür zur Küche war angelehnt, und durch den Spalt konnte er sehen, dass die Spüle voller Geschirr war. Überall lag Kinderspielzeug herum, und auf den Stühlen und den Treppenstufen, die ins Obergeschoss führte, stapelten sich Schmutzwäsche und Zeitungen.
    Tom lauschte. War noch jemand im Haus? Lautlos ging er die Treppe nach oben und erreichte einen Flur, von dem mehrere Türen abzweigten. Eine davon führte in ein großes Schlafzimmer, das mit einem Bad verbunden war. Auch hier lag Spielzeug herum. Still war es, das einzige Geräusch war das Ticken einer alten Standuhr.
    Tom betrat das Schlafzimmer und öffnete den Kleiderschrank, in dem, ordentlich aufgereiht, Jacken, Hosen und Hemden in Grau, Blau und Weiß hingen. Erfreulicherweise schien der Besitzer dieselbe Größe zu haben wie er. Tom wählte ein weißes Hemd, eine blaue Hose und einen beigen Blazer, dazu ein Paar braune Freizeitschuhe. Die Sachen wirkten schlicht und durchschnittlich und waren bestens geeignet, um in der grauen Masse unterzutauchen.
    Das Bad wirkte neu, war mit roten Marmorfliesen ausgelegt und wurde von einer in den Boden eingelassenen Badewanne dominiert. Voller Vorfreude steuerte Tom auf die Dusche daneben zu, warf seine verschmutzten Kleider in eine Ecke und stellte sich unter den Wasserstrahl. Noch nie war ihm eine Dusche so wunderbar vorgekommen, und für einen Moment vergaß er völlig, dass er sich in einer fremden Wohnung befand, in die er zudem noch eingebrochen war. Es war eine wahre Wonne, den ganzen Körper einzuseifen und duftendes Shampoo in Bart und Haaren zu verteilen. Er hörte nicht, dass unten im Erdgeschoss die Tür ging.
    Die Frau seufzte, als sie die Wohnung betrat. Wie sollte sie in diesem Chaos ihr Handy finden? Sie nahm den Hörer ihres Telefonapparats, wählte die Nummer ihres Handys und lauschte konzentriert, wo es klingeln würde. Merkwürdig, dachte sie, hat einer von uns vergessen, das Wasser abzustellen? Es rauschte in den Leitungen, als ob jemand duschte.
    Ihr Puls schnellte nach oben, als sie vorsichtig die Treppe emporstieg. Jetzt hörte sie ganz deutlich Wasser laufen. Konnte jemand im Bad sein? Aber es war doch niemand im Haus! Sie legte die Hand auf die Klinke der Badezimmertür und öffnete sie.
    Der Entsetzensschrei war so schrill, dass Tom vor Schreck das Badetuch aus der Hand fiel. Er blickte in das Gesicht einer Frau, in deren Augen sich Angst und Erstaunen spiegelten.
    Ein paar Sekunden lang starrten beide sich an, vor Schreck wie gelähmt. Dann trat der splitternackte Tom einen Schritt auf die Frau zu, um ihr die Situation zu erklären.
    »Rühren Sie mich nicht an!«, fauchte sie.
    Sie bewegte sich rückwärts zur Tür, fuhr herum und rannte los, während sie versuchte, eine Nummer in das Telefon zu tippen, das sie in der Hand hielt. Tom hatte keine Wahl. Nackt und nass, wie er war, lief er hinter ihr her, schlitterte über die Fliesen und wäre um ein Haar gestürzt. Im Schlafzimmer bekam er einen Zipfel ihres Pullovers zu fassen. Sie ruckte nach vorn, und der Pullover

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