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Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)

Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)

Titel: Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Clark
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zurückführen könnten. Und so hatte man sie weggeworfen, eine zerbrochene Puppe, mit der niemand spielen wollte. Das Internat war dann, nachdem sie sich erst einmal an die neue Ordnung gewöhnt hatte, gar nicht so schlecht gewesen. Als sie zu ihrem ersten Jahr an der Highschool wieder nach Hause zurückkehrte, war sei ein »neuer Mensch« – und eine Fremde in ihrer Heimatstadt. So hart das auch war, nach ein paar Monaten schienen sich die Dinge einzuspielen. Sie hatte das Gefühl, dass ihr Leben allmählich ins Lot kam.
    Bis zu jener Nacht. In jener Nacht veränderte sich alles.

32
    I ch sah aus dem Balkonfenster. Der Dampf meines Kaffees malte einen dunstigen Kreis an die Scheibe, aus dem sich wässrige Tränen lösten. Draußen hatten sich Gewitterwolken zusammengeballt und verfinsterten sich zusehends.
    An diesem Morgen würden wir zu Simons Eltern fahren, und das Wetter schien sich darauf eingestellt zu haben. Nicht dass man mich daran erinnern müsste, welche Trauer und welchen Schmerz sie empfanden. Tatsächlich hatte ich seit dem Erwachen an nichts anderes gedacht und quälte mich nun bei allem, was ich tat. Ich trank den Kaffee aus und ging zum Kleiderschrank, um etwas Warmes, aber Dezentes herauszusuchen, und entschied mich schließlich für ein dunkelgraues Wollkostüm und einen cremefarbenen Rollkragenpullover.
    Die Bayers lebten in Burbank, einer netten Mittelstandsgegend, für die meine .22 Beretta vermutlich ausreichte. Ich steckte sie in die Tasche meines Trenchcoats, wo sie eine deutliche Beule hinterließ, aber seit ich auf Baileys Drängen endlich einen Waffenschein erworben hatte, musste ich nicht mehr befürchten, verhaftet zu werden. Nicht dass mich diese Aussicht je abgeschreckt hätte.
    Widerwillig verließ ich meine Suite. Auf dem Weg zum Fahrstuhl hatte ich das Gefühl, mich unter Wasser zu bewegen. Als ich in die Lobby kam, sah ich, dass sich Bailey mit Angel unterhielt. Ein Blick genügte, um zu erkennen, dass sie der Sache mit derselben Begeisterung entgegensah wie ich.
    Ich klopfte Angel auf den Arm und wünschte ihm einen schönen Tag, dann stiegen wir ins Auto.
    »Hast du den Eltern die Nachricht schon übermittelt?«, fragte ich.
    »Hab ich«, sagte Bailey, schwenkte in die Grand Avenue ein und fuhr dann in Richtung Freeway. »Ich habe mich aber nicht länger mit ihnen unterhalten. Da Simon schon eine Weile nicht mehr bei ihnen gewohnt hat, schien mir das nicht erforderlich.«
    Das war gut. Normalerweise versuchte man erst, Informationen zu bekommen, und erzählte hinterher, was geschehen war. Oft waren Angehörige nach einer Todesnachricht nämlich nicht mehr in der Lage, Fragen zu beantworten. In diesem Fall hatten die Eltern aber nichts von dem Verbrechen mitbekommen. Sie konnten uns ohnehin nur Hintergrundinformationen liefern, und so konnten wir es uns erlauben, sie den Schock erst verdauen zu lassen.
    Wir hatten Glück und erreichten Burbank gerade noch vor dem großen Regen. Die ersten schweren Tropfen fielen, als wir vor dem Haus der Bayers vorfuhren, eine beige Variante des verputzten Häuschens, das in den Mittelstandssiedlungen so beliebt war.
    Mir war gar nicht aufgefallen, wie nah am Bordstein Bailey geparkt hatte, und so merkte ich auch nicht, dass beim Aussteigen der Briefkasten im Weg stand. Da ich aus dem Gleichgewicht geriet, griff ich nach dem Erstbesten, das Halt versprach – und das war ein angemalter Metallhahn oben auf dem Briefkasten. Dass der Hahnenkopf mittels eines Scharniers hochgeklappt werden konnte, um dem Postboten zu signalisieren, dass Post zum Mitnehmen bereitlag, ahnte ich natürlich nicht. Sobald ich zupackte, schnellte das Ding hoch und ließ mich zurücktaumeln.
    Glücklicherweise stand Baileys Wagen da, und so landete ich an der Beifahrertür. Unglücklicherweise aber hatte Bailey alles gesehen und schüttelte den Kopf, als ich mich zu ihr umdrehte.
    »Das war Absicht«, sagte ich und richtete mich so würdevoll wie möglich auf. »Ich dachte, das hebt vielleicht die Stimmung.«
    »Hat funktioniert«, sagte Bailey in gespieltem Ernst.
    Als wir den Bürgersteig überquerten, sahen wir eine jüngere Frau in Military-Hose und Männerblouson. Sie war gerade dabei, die Mülltonnen herauszurollen, und hielt nun inne und schaute mich mitfühlend an. »Das ist mir auch mal passiert«, sagte sie und nickte zu dem verräterischen Gockel hinüber.
    Ich wusste die Unterstützung zu schätzen und schenkte ihr ein Lächeln.
    »Da war ich allerdings

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