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Toedlicher Blick

Titel: Toedlicher Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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wurde vom Geruch feuchten Moders erfüllt. »Nur abkratzen, noch nicht graben«, sagte Hammond.
    »Ja, ganz langsam vorgehen«, meinte auch Marshall. »Wir haben jetzt keine Eile mehr.«
    Lucas sah sich inzwischen die anderen verdächtigen Stellen an. Cops standen bereit, auch dort mit der Arbeit zu beginnen, aber man wollte erst einmal abwarten, was sich bei der ersten Grabung ergab. Als die beiden Cops dort etwa fünfzehn Zentimeter Erde weggekratzt hatten, brummte einer von ihnen, sagte dann: »Da ist ein Loch.«
    »Was?« Lucas starrte auf das matschige Rechteck in der Erde. Er konnte kein Loch sehen.
    »Ich kann’s spüren«, sagte der Cop. Er sah seinen Kollegen an. »Spürst du’s auch? Die Erde ist eingesunken.«
    »Da? Ja, sieht so aus …«
    »Die Erde ist tatsächlich an dieser Stelle eingesunken«, sagte der erste Cop.
    Sie kratzten weiter, vergrößerten das Loch. »Das ist hundertprozentig ein Grab«, sagte Marshall zu Lucas. Lucas nickte, und Marshall trat ein paar Schritte zurück, den Hang hinunter, zog ein Mobiltelefon aus der Tasche. Lucas schaute sich um. Den ganzen Morgen über hatten die Cops sich bei der Arbeit auf dem Hügel unterhalten, jetzt aber war nichts zu hören als das Kratzen der Schaufeln und das gelegentliche Schnaufen der beiden Ausgräber. Del sah Lucas an und hob die Schultern.
    Dann wurde die Stille unterbrochen: »Halt!« Einer der grabenden Cops hielt den anderen am Arm fest, kniete sich dann hin. »Ist das ein Stein?«
    Er zog seinen Arbeitshandschuh aus, steckte die Finger in die Erde und zog einen weißen Gegenstand heraus.
    »Was ist das?«, fragte Lucas und ging neben dem Cop in die Hocke. Del schob sich neben ihn. Der Cop reichte Lucas das weiße Ding.
    Lucas drehte es in den Händen, sah dann Del an. »Ein Fingerknochen«, sagte Del.
    »Ja«, bestätigte Lucas. Er sah zu Hammond hoch. »Wir stellen wohl besser das Graben ein und holen das Spurensicherungsteam her. Wir müssen alles Zentimeter für Zentimeter aus der Erde holen.«
    »O heiliger Jesus«, sagte Hammond.
    Es regnete weiter. Der Sheriff erschien und schickte zwei Deputys in die Stadt, um wasserdichte Planen zu holen, mit denen man Zelte über den vermuteten Gräbern errichten konnte. Lake setzte seine Radararbeit an den Rändern fort. Die Spurenermittler erschienen Mitte des Nachmittags und sahen sich die sechs vermutlichen Gräber an, die Lake inzwischen markiert hatte.
    Der Leiter des Spurensicherungsteams hieß Jack McGrady und hatte in einem anderen Fall bereits einmal mit Lucas zusammengearbeitet. »Wir brauchen Generatoren und Lampen vom Highway-Department«, sagte er. »Wenn die Zelte stehen, machen wir uns gleich an die Arbeit.«
    Lucas zeigte ihm den Knochen, den er in einen Beweissicherungsbeutel gesteckt hatte. »Die Frage, die wir uns alle gestellt haben – ist es möglich, dass das da
kein
menschlicher Knochen ist?«
    McGrady hielt den Plastikbeutel gegen den Himmel, sah sich den Knochen einige Sekunden an, gab dann Lucas den Beutel zurück. »Es
ist
ein menschlicher Fingerknochen – ein wenig kurz und flach, wahrscheinlich also von einem Daumen.«
    »Ein Daumen …«
    »Ja, sehr wahrscheinlich. Ich kann Ihnen auf Anhieb nicht sagen, aus welcher Ära … Ich wollte, Sie hätten sich einen schöneren Tag für dieses Unternehmen ausgesucht – sonnig und kalt, meine ich.«
    Lucas blickte den Hang hinunter auf die Streifenwagen, die, zwei an jedem Ende, mit blinkenden Lichtbalken den Feldweg absperrten. »Tut mir Leid wegen des Wetters«, sagte er und meinte es ernst. Dann: »Was meinen Sie mit ›Ära‹?«
    »Knochen überdauern lange Zeiträume. Das hier ist ein hübscher Hügel mit schöner Aussicht. Vielleicht sind Sie auf einen Siedlerfriedhof gestoßen. Durch reinen Zufall.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte Lucas.
    »Ich auch nicht.«
    Später am Nachmittag fuhren Lucas und Del wieder nach Cannon Falls, gingen ins Café und aßen Truthahn-Sandwiches, dazu Kartoffelbrei. Im Café herrschte reger Betrieb. Kräftige schweigsame Männer in Overalls kamen und gingen, und es roch nach nasser Wollkleidung, Moder und trockener Wärme aus den Heizkörpern.
    »Zählt Kartoffelbrei als Gemüse?«, fragte Del.
    »Brei von diesen Kartoffeln nicht«, antwortete Lucas. »Sie sind nach meiner Einschätzung irgendein Petroleumderivat.«
    Sie aßen eine Weile schweigend weiter, dann sagte Del: »Wenn das da oben alles Gräber sind, geht’s bei uns rund.«
    »Es sind alles Gräber«, sagte Lucas. »Ich

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