Toedlicher Hinterhalt
gerade seine Stärke. »Nein.«
Tom nickte mit ausdrucksloser Miene. Kelly fühlte mit ihm mit, denn das war nicht die Erwiderung, die er sich erhofft hatte. Sie wünschte sich, sie säßen dicht genug beieinander, dass sie seine Hand hätte nehmen können, und hoffte, zumindest den Mut aufzubringen, die Arme um ihn zu legen und ihn an sich zu ziehen, wenn sie den Behandlungsraum verließen. Hoffentlich würde ihr Trost ausreichen, um ihn zu stützen.
»Können Sie mir statistische Werte nennen?«, fragte Tom Gary. »Eine Angabe, wie viel Prozent der Leute mit solchen Verletzungen wieder vollständig genesen?«
Der Neurochirurg richtete die Akten auf seinem Schreibtisch in einem sauberen kleinen Stapel aus. »Da ich Ihr Krankenblatt nicht kenne, kann ich es nicht mit absoluter Sicherheit sagen, aber dem nach zu urteilen, was Sie beschrieben haben – die Schwere Ihrer Verletzung zusammen mit der Zeitspanne, die zwischen dem Unfall und der medizinischen Erstversorgung lag …« Er schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht dazu in der Lage, Ihnen genaue Zahlen zu nennen, Lieutenant, aber die meisten Leute hätten das Ganze wohl gar nicht erst überlebt. Statistisch gesehen haben Sie den meisten damit schon etwas voraus, sind ein Sonderfall.«
Tom schwieg.
»Aber falls diese Begleiterscheinungen wirklich dauerhaft bleiben sollten«, versuchte Gary ihm Mut zu machen, »dann können Sie einiges unternehmen, um besser damit zu leben. Es gibt Medikamente gegen Angstzustände. Die könnten auch bei unbestimmten Gefühlen von Paranoia anschlagen. Wenn Sie möchten, kann ich – «
Tom verlagerte sein Gewicht und gab Gary anhand seiner Körpersprache ein klares Nein zur Antwort. »Das kommt für mich nicht infrage. Nicht wenn ich bei den SEAL s bleiben möchte.«
»Vielleicht sollten Sie über einen Austritt nachdenken«, schlug Gary so vorsichtig wie möglich vor. »Und ins zivile Leben zurückkehren. Nehmen Sie sich zur Erholung eine Auszeit von ein oder zwei Jahren. Spielen Sie Golf, gärtnern Sie ein wenig. Geben Sie sich selbst die Zeit, wieder gesund zu werden.«
Tom stand auf. Das signalisierte ein noch klareres Nein. »Ich bin noch nicht bereit, aufzugeben. Noch bleiben mir ein paar Wochen. Haben Sie irgendwelche Vorschläge, was ich tun kann, um den Heilungsprozess zu beschleunigen?«
»Sich ausruhen«, empfahl Gary. »Viel schlafen. Halten Sie das Stresslevel niedrig. Gehen Sie alles langsam an, vermeiden Sie Aufregung, und überanstrengen Sie sich nicht körperlich. Ansonsten rate ich Ihnen zu vielen Massagen und anderen spannungslösenden, ähem , Aktivitäten.«
Kelly traute sich nicht, Tom anzusehen. Es war eine ziemlich bizarre Situation – da saß sie nun mit dem Mann, mit dem sie schlafen wollte, und hörte zu, wie ihr Exmann Sex empfahl, um Spannungen zu lösen. Sie musste sich beherrschen, nicht laut loszukichern. »Also, das hört sich für mich doch ganz gut an.« Auch sie stand nun auf.
Gary und Tom schauten sie an, aber es gelang ihr, keine Miene zu verziehen und große Augen zu machen. Sie spielte die kleine Miss Unschuldig.
Gary wandte sich ab, doch Tom behielt sie im Auge, selbst als ihr Exmann aufstand und die beiden Männer sich die Hand gaben.
Zweifellos dachte Tom gerade an den Kommentar über Schlagsahne, den sie im Auto gemacht hatte. Na ja, schön. Es wurde aber auch Zeit, dass er es merkte.
Kelly ergriff Garys Hand und gab ihm einen Luftkuss auf die Wange, während Tom taktvoll das Büro verließ, um ihnen ein bisschen Privatsphäre zu gewähren.
»Wie steht es um deinen Vater?«, erkundigte sich Gary.
»Er ist ziemlich schwach. Wie geht es Tiffany und dem Baby?«
Er rang sich ein Lächeln ab. »Gut. Großartig.« Die neue Frau an seiner Seite zeigte sich ziemlich unglücklich über seinen Workaholic-Terminkalender, das wusste Kelly. Denn Tiffany hatte sie angerufen, um herauszufinden, ob Garys Achtzig-Stunden-Woche normal war. Und das war sie. Kelly gab der Beziehung fünf Jahre – höchstens. Tiffany erschien ihr viel zu klug, um sich seinen Ich-bin-ja-so-wichtig-Mist länger anzuhören. Ja, Gary war ein guter Arzt, aber auch kein Albert Schweitzer.
»Danke noch mal, dass du Tom untersucht hast«, sagte sie und wandte sich zum Gehen, doch er hielt noch immer ihre Hand und senkte nun die Stimme. »Er scheint nett zu sein, aber … ein Navy SEAL ? Bist du nicht ein bisschen zu jung für eine Midlife-
Crisis?«
»Er ist ein alter Freund von der Highschool.« Kelly löste ihre
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