Toedlicher Hinterhalt
während er neben Charles auf der Veranda von dessen millionenteurem Haus saß, von der aus man über das wohl hübscheste Anwesen schaute und den schönsten Meerblick der Welt genoss.
Und selbst nach so langer Zeit war Charles noch immer eifersüchtig auf Joe.
Dieser drehte unvermittelt den Kopf zu ihm und sah ihn an. »Ich glaube, zwischen Tom und Kelly läuft etwas.«
Charles kämpfte sich gedanklich wieder in die Gegebenheiten der Gegenwart zurück. Tom? Und Kelly? So, so, vielleicht hatte das Mädchen tatsächlich endlich etwas unternommen.
»Du glaubst , dass da etwas läuft«, entgegnete er mürrisch. »Nach all den Jahren, in denen du wie ein Mönch gelebt hast, willst du plötzlich der hiesige Experte in Sachen Romanzen sein?«
Joe schenkte ihm einen dieser langen, unverwandten, geduldigen Blicke, bei denen Charles sich immer wie ein Wurm vorkam.
»Ich verstehe immerhin genug davon, um einen Kuss zu erkennen, wenn ich einen zu sehen bekomme«, erwiderte Joe gelassen. »Und um sofort sagen zu können, wer ihn gibt und wer ihn bekommt. Ich weiß, dass Kelly sich einsam fühlt.«
Kelly hatte also Tom geküsst. Charles erster Impuls war, laut loszulachen. Seine Tochter führte zwar ihr eigenes Leben, doch er hatte die blassen, bebrillten, selbstgefälligen Wichtigtuer, die sie aus dem Krankenhaus mit nach Hause brachte, nie sonderlich gemocht. Aber Tom Paoletti – das war mal ein Mann. Allerdings vermutlich viel zu viel Kerl für Kelly. Die Wahrheit war meist sehr ernüchternd. Deshalb hatte er eigentlich nie erwartet, dass sie es wirklich bei ihm versuchen würde. »Sie passen überhaupt nicht zueinander.«
»Das finde ich nicht«, erwiderte Joe, »aber ich vermute, Kelly würde dir vermutlich zustimmen. Ich dachte, du solltest vielleicht mit ihr reden, damit sie Tom am Ende nicht allzu sehr verletzt.«
Kelly, die Tom verletzte … Also das gäbe mal eine überraschende Wendung in der alten, traurigen Geschichte von der unglücklichen Liebe. Aber möglich wäre es. Warum auch nicht? Immerhin handelte es sich bei Kelly um eine Ashton, und die waren für ihre Herzen aus Stein bekannt.
13
»Es sieht alles wirklich gut aus.« Gary verschwendete keine Zeit, als er ins Büro gerauscht kam. »Keine Anzeichen für eine Blutung, keine Schwellung, rein gar nichts, was auf ein Problem hindeuten würde. Alles ist schön verheilt.«
Kelly schloss die Augen, während er ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange drückte. »Gott sei Dank.«
Tom schien über diese Nachrichten nicht ganz so erfreut zu sein. Er beugte sich in seinem Stuhl nach vorn, als Gary hinter dem Schreibtisch Platz nahm. »Also was ist dann los? Woher kommt dieses Schwindelgefühl und der Kopfschmerz? Was löst diese Paranoia aus?«
»Ich konnte abgesehen von der Verletzung und der OP keine physiologische Ursache dafür finden.« Gary sah müde aus und älter, als er war. Sorgenfalten verliehen seinem attraktiven Gesicht einen verhärmten, ängstlichen Ausdruck. »Ihre Symptome hängen vermutlich damit zusammen.«
»Mal im Ernst.« Tom blickte Kelly offenkundig frustriert an. »Stelle ich hier die falschen Fragen?«
»Ich glaube, Gary möchte damit sagen, dass er sich nicht wirklich erklären kann, warum es dir so ergeht«, erklärte sie ihm.
»Wir lernen immer noch eine ganze Menge Neues über Kopfverletzungen, Lieutenant«, gestand der Neurochirurg. »Bei zehn verschiedenen Menschen mit ähnlichen Kopfverletzungen wird der Heilungsprozess jedes Mal vollkommen unterschiedlich verlaufen, das reicht vom Tod bis hin zur völligen Rückkehr zum Zustand vor dem Unfall. Verglichen mit einer Lähmung oder einer Schädigung des Sprechzentrums haben Sie nur geringfügige Beeinträchtigungen. Was Ihre Paranoia und die leichte Persönlichkeitsveränderung in Bezug auf Ihre mangelnde Selbstkontrolle bei Wutanfällen angeht, diese Begleiterscheinungen sind bei einer Verletzung wie der Ihren durchaus noch im Bereich des Normalen. Wobei mit normal ein ziemlich breites Spektrum gemeint ist, da wir wie gesagt erst so wenig darüber wissen.«
»Lässt sich irgendwie herausfinden, ob die Paranoia dauerhaft sein wird?«, fragte Tom, hob dann jedoch die Hand, als Gary tief durchatmete und zum Sprechen ansetzte. »Das war eine Ja-Nein-Frage. Ich hoffe auf eine einsilbige Antwort.«
Gary schloss den Mund wieder und blickte zu Kelly herüber, die daraufhin eine Augenbraue hochzog und wartete. Schließlich seufzte er. Kurze und knappe Antworten waren nicht
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