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Toedlicher Hinterhalt

Toedlicher Hinterhalt

Titel: Toedlicher Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Brockmann
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etwas wie eine magische Ausstrahlung gehabt. Selbst jetzt, mit achtzig, besaß er sie noch. Sogar als er getrunken und die grausamsten Beschimpfungen von sich gegeben hatte, war diese besondere Aura nicht verschwunden.
    Deshalb überraschte es sie auch kein bisschen, dass diese Cybele Charles Joe vorgezogen hatte.
    »Ich weiß nur eins«, flüsterte er. »Hör zu. Hörst du mir zu?«
    »Ja«, antwortete Kelly. »Ich bin hier.«
    »Ich weiß, dass du da bist, aber hörst du zu? «
    »Du brauchst jetzt nicht zu sprechen.« So sehr es sie auch interessierte, was er zu sagen hatte, so augenscheinlich war es auch, wie schwer es ihm fiel, die Worte hervorzupressen.
    »Es hilft«, meinte er. »Außerdem musst du es wissen. Es ist wichtig, Kelly. Du kannst dir nicht aussuchen, wen du liebst. Du kannst nicht sagen: ›Nein, ich werde dich nicht lieben; ja, ich werde dich lieben.‹ So geht das nicht. Als ich Cybele und Joe kennenlernte, war mir sofort klar, dass er sie liebte. Und nach einer Woche, wahrscheinlich sogar noch schneller, hatte ich auch Gefühle für sie entwickelt. Doch im Gegensatz zu Joe war ich verheiratet. Ich hatte ein Kind und somit kein Recht, in Cybele oder irgendjemand anderen als Jenny verliebt zu sein. Aber es ist passiert, und ich konnte es nicht ändern. Cybele fühlte sich ebenfalls zu mir hingezogen – auch wenn ich bis heute nicht weiß, warum. Ich habe mich so sehr bemüht, das Richtige zu tun und mich von ihr fernzuhalten, aber letztlich ist es mir einfach nicht mehr gelungen. Ich habe nachgegeben, und weißt du, was? Ich hätte meine Seele an den Teufel verkauft, um frei zu sein, sie lieben und mein restliches Leben mit ihr verbringen zu können. So sehr habe ich sie geliebt. Dieses Gefühl war so stark und mächtig.«
    Dann schwieg er für einen Moment, und Kelly betete, die Tabletten, die er genommen hatte, würden endlich wirken.
    »Am Anfang habe ich mich aber geweigert, das zuzugeben«, sagte Charles leise. »Mehr als eine Woche lang suhlte ich mich in dem Gefühl, versagt zu haben – weil ich meiner Frau und Joe dadurch wehgetan hatte, dass ich mich dieser erstaunlichen Sache, dieser Liebe, hingab. Aber letzten Endes habe ich mir selbst und Cybele noch viel mehr geschadet, denn ich verschwendete die wertvolle Zeit, die wir miteinander verbringen durften.
    Cybele hat mir einmal erzählt, dass sie an jenem Tag, an dem ihr Mann und ihr Kind getötet worden waren, Frühstück für die beiden gemacht, sich jedoch nicht die Zeit genommen hatte, sich zu ihnen zu setzen und mit ihnen zu essen. Sie sagte mir, dass sie sich für den Rest ihres Lebens wünschen würde, sie hätte sich diesen Augenblick mit ihnen genommen. Sie wünschte sich, sie hätte ihrem Jungen dabei zugesehen, wie er seinen Haferbrei aß, und ihrem Mann einen Abschiedskuss gegeben. Sie wünschte sich, sie hätte ihr Kind fest umarmt, statt ihm bloß mit einem feuchten Tuch den Mund abzuwischen. Sie wünschte sich, sie hätte ihnen beiden gesagt, dass sie sie liebe, bevor sie ihre Küche verließen und damit für immer aus ihrem Leben gin-
gen.
    Das alles hat sie mir erzählt«, berichtete Charles, »und trotzdem verstand ich es damals nicht. Erst als es zu spät war …«
    Er entspannte sich langsam, was Kelly daran merkte, dass er sich gegen sie lehnte. Sie half ihm, sich hinzulegen und unter die Decke zu kriechen, blieb dann aber noch bei ihm sitzen, strich ihm zärtlich über das Haar und hielt seine Hand.
    »Es war in der Nacht, als wir herausfanden, dass die Deutschen vorhatten, die Fünfundfünfzigste zu zerschlagen.« Seine Stimme wurde leiser und schwächer, doch er schien weitersprechen zu wollen, und bei Gott, sie war neugierig, die gesamte Geschichte zu hören.
    Ihr Vater gab ihr einen Rat in Herzensangelegenheiten. Unglaublich! Das hatte sie nie zu hoffen gewagt.
    »Ich hatte mich ungefähr eine Woche zuvor erneut am Knöchel verletzt und war endlich wieder fit genug, um zu reisen. Ich hatte vor, Ste.-Hélène zu verlassen, die Kampflinie zu überqueren und wieder zur Fünfundfünfzigsten zurückzukehren. Joe sollte mich so weit wie möglich begleiten.
    Ich habe mich nicht von Cybele verabschiedet. Ich schätze, weil ich wusste, ich würde ihr meine Liebe gestehen, wenn ich auch nur ein paar Worte mit ihr gewechselt hätte. Ich hatte Angst, ihr Versprechen zu geben, die ich nicht halten können würde, wenn ich wieder bei klarem Verstand wäre.« Charles lächelte Kelly traurig an. »Ich habe wirklich geglaubt,

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