Tödlicher Irrtum
Haus gewesen war und Drohungen gegen seine Mutter ausgestoßen hatte?«
»Ja. Der Täter brauchte nichts zu tun, als das Zimmer zu betreten, den Feuerhaken, den Clark hingeworfen hatte, in die behandschuhte Hand zu nehmen, sich dem Schreibtisch zu nähern, an dem Mrs Jackson saß und schrieb, und sie zu erschlagen.«
»Aber warum?«
»Das fragen wir uns auch, und das müssen wir herausfinden«, erwiderte Huish. »Unsere größte Schwierigkeit ist das Fehlen eines Motivs.«
»Wir stellten damals fest, dass Mrs Jackson, wie viele reiche Leute, ihre Kinder bereits zu ihren Lebzeiten bedachte, um die Erbschaftssteuer zu vermeiden. Diese Trusts sind, wie Sie wissen, durchaus legal. Es steht fest, dass keines der Kinder nach dem Tod der Mutter weitere Zahlungen zu erwarten hatte.«
Nach einer kurzen Pause fuhr der Oberkommissar fort: »Mrs Jackson war weder herrschsüchtig noch geizig. Ihre Kinder waren niemals knapp bei Kasse, und sie stellte allen Kapital zur Verfügung, damit sie sich eine Existenz aufbauen konnten.«
»Stimmt, und niemand schien ein Interesse daran zu haben, Mrs Jackson aus dem Weg zu räumen«, bestätigte Huish. »Allerdings hörte ich kürzlich, dass Mr Jackson daran denke, sich wieder zu verheiraten, und zwar mit Gwenda Smith, seiner langjährigen Sekretärin.«
»Tatsächlich? Das ist interessant«, meinte Oberkommissar Finney. »Vielleicht sollten wir in dieser Richtung nach einem Motiv suchen… Halten Sie es für möglich, dass sie bereits zur Zeit des Mordes ein Verhältnis hatten?«
»Nein, das glaube ich kaum«, erwiderte der Superintendent. »Das hätte sich bestimmt sehr rasch im Dorf herumgesprochen.«
»Er mag kein Verhältnis mit ihr gehabt haben, sondern nur den glühenden Wunsch, sie zu heiraten«, gab der Oberkommissar zu bedenken.
»Möglich – Gwenda Smith ist zwar keine ausgesprochene Schönheit, aber eine sehr reizvolle Frau«, stellte Huish fest.
»Jedenfalls könnten wir hier nach einem Motiv suchen. Außerdem müssen wir uns auch etwas eingehender mit der schwedischen Hausdame beschäftigen. Vielleicht hatte sie Mrs Jackson nicht so gern, wie es schien; sie mag aus irgendeinem Grund einen heimlichen Groll gegen sie gehegt haben – wer weiß! Aber auch sie hatte von Mrs Jacksons Tod keine finanziellen Vorteile zu erwarten, da sie ihr bereits vor langer Zeit eine nicht unbeträchtliche Jahresrente ausgesetzt hatte. Sie macht einen netten, anständigen Eindruck; man würde ihr kaum zutrauen, dass sie imstande wäre, ihre Brötchengeberin mit einem Feuerhaken zu erschlagen – aber man kann nie wissen.«
»Könnte es nicht doch ein Außenstehender gewesen sein?«, fragte der Oberkommissar.
»Wir haben keine Spuren gefunden. Die Geldschublade stand offen, und man hatte das Zimmer in Unordnung gebracht, um den Anschein eines Einbruchs zu erwecken.«
»Die Sache mit dem Geld ist mir allerdings völlig unverständlich«, sagte der Oberkommissar.
»Mir auch«, erwiderte Huish. »Eine der Fünfpfundnoten, die Clark Jackson bei sich hatte, war Mrs Jackson am gleichen Tag bei der Bank ausgezahlt worden; eine Mrs Bottleberry hatte ihren Namen auf die Rückseite des Geldscheines geschrieben. Er sagte, seine Mutter habe ihm das Geld gegeben, aber Mr Jackson und Gwenda behaupten, dass Mrs Jackson um sechs Uhr fünfundvierzig in die Bibliothek gekommen sei und erklärt habe, sie hätte sich kategorisch geweigert, ihm noch einen Penny zu geben.«
»Jetzt kann man natürlich die Möglichkeit, dass die beiden gelogen haben, nicht mehr ganz ausschließen«, meinte der Oberkommissar.
»Es wäre allerdings auch denkbar, dass jemand den Streit und Clarks Drohungen mithörte, die günstige Gelegenheit ergriff, das Geld aus der Schublade nahm, Clark nachlief, ihm die Scheine in die Hand drückte und sagte, seine Mutter habe es sich anders überlegt. Auf diese Weise hätte der Täter den Verdacht in raffinierter Weise auf Clark gelenkt. Natürlich wäre der Betreffende darauf bedacht gewesen, keine Fingerabdrücke auf dem Feuerhaken zu hinterlassen.«
»Diese Theorie erscheint mir höchst unwahrscheinlich«, sagte der Oberkommissar in gereiztem Ton. »Wer war sonst noch an diesem Abend zu Hause? Hester und Miss Lindstrom?«
»Ja, auch die älteste Tochter und ihr Mann.«
»Er sitzt im Rollstuhl, nicht wahr? Er kann es also nicht gewesen sein. Welchen Eindruck haben Sie von Mary Durrant?«
»Sie macht einen ruhigen, ausgeglichenen Eindruck, Sir. Ich kann mir nicht vorstellen, dass
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